Vom Ersten Weltkrieg auf der Schallaburg und Metropolis in Melk
Kriegsmüde
– das ist das dümmste von allen Worten, die die Zeit hat.
Kriegsmüde sein,
das heißt müde sein des Mordes, müde des Raubes, müde der Lüge, müde der Dummheit, müde des Hungers,
müde der Krankheit, müde des Schmutzes, müde des Chaos.
War man je zu all dem frisch und munter?
So wäre die Kriegsmüdigkeit wahrlich ein Zustand, der keine Rettung verdient.
Kriegsmüde heißt man immer zu sein, das heißt, nicht nachdem, sondern ehe man den Krieg begonnen hat.
Aus Kriegsmüdigkeit werde der Krieg nicht beendet, sondern unterlassen.
Staaten, die im vierten Jahr der Kriegsführung müde sind, haben nichts Besseres verdient als – durchhalten!
Karl Kraus, Die Fackel, 23.Mai 1918, Heft 474-483
Der erste Weltkrieg auf der Schallaburg
Eigentlich wollte ich alles was den Ersten Weltkrieg betrifft ignorieren. Zu weit weg erschien mir das Jahr 1914, zu fern all die Gedenkfeiern und Gräber. Im Nachhinein bin ich froh, mir die Ausstellung auf der Schallaburg „Jubel & Elend – Leben mit dem großen Krieg 1914-1918“ angesehen zu haben. Das liegt an der Ausstellungsgestaltung.
Plötzlich bekommt der Erste Weltkrieg ein Gesicht, genauer gesagt fünfzehn Gesichter.15 Personen, stellvertretend für Millionen kommen zu Wort. Sie verstecken sich nicht hinter trockenen Geschichtsdaten, sie erzählen. Von sich und der Familie, von der Front und der Arbeit als Kriegskrankenschwester. Sie geleiten einen durch die Ausstellung mit zum Teil bizarren Ausstellungsstücken. Ein Propagandafächer mit den obersten Feldherren ist ebenso ausgestellt wie ein Rosenkranz aus Mäuseknochen, gebastelt in Gefangenschaft.
Mein Interesse an dieser Epoche wird durch die exzellenten Erklärungen unseres Guides Georg Clam-Martinic geweckt. Wie mir scheint, hat er alle Bücher gelesen, die im heurigen Jahr zum Thema Erster Weltkrieg erschienen sind. Es ist sozusagen „sein“ Thema, das er den Besuchern und Besucherinnen nahe bringt, denn auch sein Großvater hat im ersten Weltkrieg als Kommandant gedient. Vieles von dem was er uns erzählt, höre ich zum ersten Mal.
Die Sommerspiele in der Wachauarena in Melk
Ebenfalls zum ersten Mal bin ich bei den Sommerspielen in Melk zu Gast. Metropolis steht auf dem Programm. Moment, Metropolis? Ist das nicht dieser Stummfilmklassiker von Fritz Lang? Wer bitte ist so verrückt einen Stummfilm aus dem Jahre 1927 zu vertonen? Schuld ist Alexander Hauer, der Intendant mit tausend Ideen. Der uns kurz vor der Vorstellung hinter die Bühne einlädt und mit Begeisterung von seinem Team und den Schauspielern erzählt. Franzobel kreierte die Bühnenfassung und Thomas Gansch komponierte die Musik (und ich höre und staune: statt der geliebten Trompete kam das Klavier zum Zug!). In Metropolis geht es um Machtverhältnisse, um oben und unten, um arme Hackler und reiche Gstopfte. Das Stück in Melk erinnert mich an die Ausstellung, die ich vor ein paar Stunden besucht habe. Es fällt Kriegsvokabular: Schutt und Asche, ausgebombte Ruinen, totaler endgültiger Sieg. Eine Figur spricht den Satz: Morgen werde Tausende in Verzweiflung fragen, wo ist mein Sohn?
Sehr nachdenklich kehre ich ins Hotel zurück. Ich kann nicht einschlafen und drehe den Fernseher auf. Es ist vom Bürgerkrieg in der Ukraine die Rede. Gaza wird bombardiert. Ich schalte um. Es läuft eine Dokumentation über Textilfabriken in Bangladesh. Mütter können ihre Kinder nicht ernähren, weil sie zu wenig verdienen. Sie können aber auch nicht aufhören zu arbeiten, weil sie sonst gar nichts mehr verdienen. Ich schalte aus.
Ich bin kriegsmüde.
Die Niederösterreichische Festival- & Kulturgesellschaft hat mich in die Wachau eingeladen, um das Programm des niederösterreichischen Festivalsommers kennen zu lernen.
GUDRUN KRINZINGER
Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.
Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.