Rheinradweg Schweiz: Meine Erfahrungen in 6 Etappen
„Luag amoi, wie schee…“, Regula schaut sehnsüchtig aus dem Autofenster auf die Schweizer Berge. Sie ist meine Chauffeurin, die mein E-Bike und mich auf den Oberalppass transportiert. Hier beginnt meine Reise entlang vom Rheinradweg.
Der Rheinradweg – EuroVelo 15
Der Rheinradweg – EuroVelo 15 ist circa 1230 Kilometer lang. Er führt von der Quelle des Rheins in der Schweiz bis zum Rheindelta in den Niederlanden. Dass ich die gesamte Strecke des Radweges aus Zeitgründen nicht fahren kann, war für mich schnell klar. Warum also nicht in der Schweiz beginnen? Vielleicht werde ich irgendwann einmal die restlichen Etappen in Angriff nehmen.
Insgesamt werde ich sechs Tage am Rheinradweg in der Schweiz unterwegs sein und etwa 280 Kilometer zurücklegen. Mein Ziel ist der Rheinfall in Schaffhausen. Etwas nervös besteige ich das Fahrrad.
Etappe 1 – Vom Oberalppass bis nach Ilanz
Meine heutige Tagesetappe beträgt laut Plan 51 km. Ich fahre vom Oberalppass bis nach Ilanz. Wird es regnen? Ist meine Ausrüstung komplett? Und das wichtigste: wird mein Hintern durchhalten?
Schon nach wenigen Kilometern ist mir klar, der schlimmste Feind des Radlers ist nicht der Regen, sondern der Gegenwind. Hui, es bläst! Meine Fingern sind eiskalt und die Ohren abgefroren. Zum Glück gibt es immer wieder Gelegenheiten anzuhalten und zu fotografieren. Weidende Esel zum Bespiel. Oder eine Kirche.
Nach einigen Kilometern wird mir klar, wenn ich nach jedem Kilometer absteige und fotografiere, werde ich nie nach Ilanz, geschweige denn nach Schaffhausen kommen. Aber der Rheinradweg bietet auch zu viele Ablenkungen.
Das Museum La Truaisch in Sedrun
In der Gemeinde Tujetsch gibt es zum Beispiel den „Kreis des Dankes“, gestaltet von Künstlerinnen aus der Schweiz und aus Deutschland. In Sedrun steht das Museum La Truaisch, das erst am Nachmittag öffnet. Zufälligerweise wird gerade eine Ausstellung vorbereitet und ich darf einen Blick in das Innere machen.
Das Museum widmet sich zwei großen Themen gewidmet: Mineralien und Volkskunde. An Mineralien bin ich nicht so interessiert, obwohl die riesigen Kristalle wunderschön sind. Mich begeistern die Räume, in denen das Handwerk (Schuster, Tischler und Schmied) dargestellt werden. In solchen Museen könnte ich Stunden verbringen.
Mein nächster Stopp ist beim Kloster in Disentis. Schon von weitem sehe ich das Benediktinerkloster St.Martin. Die Barockkirche zählt zu den schönsten in Graubünden.
Circa zwei Stunden später, bei km 30, beginne ich etwas zu vermissen. Eigentlich bin ich wegen des Rhein-Radweges in die Schweiz gefahren, aber wo ist der Rhein überhaupt? Ich höre das Rauschen des Wassers, aber der Rhein ist irgendwo unterhalb von mir. Und dann wird mir auch klar, warum das so ist: Ich habe mich verfahren bzw. eine Abzweigung übersehen.
Da kann der Rhein-Radweg noch so gut angeschrieben sein, aber wenn ich meine Augen nur für die Schönheiten der Schweiz habe und nicht auf den Weg achte, nützt die beste Markierung nichts. Meine Unaufmerksamkeit hat mich zum Glück nur wenig Zeit gekostet.
Bei Trun muss ich schon wieder eine Pause einlegen. „Kunst am Rhein“ nennt sich das Projekt, das auf 1,5 km Länge 70 Exponate von Künstlern zeigt. Die Skulpturen und Plastiken aus den verschiedensten Materialien sind käuflich, müssen aber mindestens ein Jahr lang ausgestellt worden sein.
Von nun an geht es bergab und schneller als erwartet bin ich in Ilanz. Mit vielen Fotopausen hat die Fahrt insgesamt fünf Stunden gedauert. In Ilanz wartet ein Highlight der Reise auf mich.
Das Museum Regiunal Surselva
Pfff, werden manche sagen, schon wieder so ein langweiliges Heimatmuseum? Ja, sage ich dann, aber wer noch nie solch schwere genagelten Schuhe der Waldarbeiter in den Händen gehalten hat und noch nie die gestochen scharfen Bilder von Peter Ammon, einem Schweizer Fotografen aus den 50er Jahren, bewundert hat, der hat vom Leben nichts verstanden.
Zu Besuch im Safiental
Mein E-Bike schläft schon in der Garage des Hotels, aber ich werde noch eingeladen ins Safiental. Diese Region ist bei Rafting- und Kanufans bekannt. Die Rheinschlucht bei Versam ist der perfekte Ausgangspunkt für wilde Raftingabenteuer. Das ist aber viel zu wild für mich. Viel eher würde ich mich im Winter für eine Schneeschuhwanderung begeistern lassen oder für eine Walserweg-Wanderung im Sommer.
Jetzt am Abend ist das Wetter noch schön um im Ort Valendas einen Dorfrundgang zu machen. Das Dorf besitzt den grössten hölzernen Brunnen Europas. Viele Patrizierhäuser stehen in diesem Ort, ein jedes ist ein Baujuwel aus vergangenen Jahrhunderten. Das älteste Haus, das Jooshuus, stammt aus dem 13./14.Jahrhundert.
Am Abend steht mir dann noch eine Premiere ins Haus. Ich verkoste meine erste Bündner Spezialität, und zwar Capuns. Was das ist? Hier gibt es eines von vielen Rezepten. Aber ob euch das so gut gelingt wie im Restaurant Rössli in Versam?
Etappe 2 – Von Ilanz bis Chur
Das Gefühl ist so als hätte ich KEINE Radlerhose an, dabei HABE ich eine Radlerhose an. Willkommen am Tag 2 am Rheinradweg!
Tapfer radle ich drauflos, es bleibt mir auch gar nichts anderes übrig. Nach wenigen Kilometern hat sich auch mein Hintern beruhigt. Die Etappe von Ilanz bis Chur ist die anspruchsvollste meiner insgesamt sieben Etappen am Rheinradweg. Es geht bergab und bergauf, für mein E-Bike ein Klacks. Anstrengend für mich als ungeübte Fahrerin sind die Serpentinen von Versam hinunter ins Rabiusa Tal.
Anstrengend auch deshalb, weil mir Radrennfahrer der Haute Route Dolomites Swiss Alps entgegenkommen. Die Fahrer und Fahrerinnen sind in Venedig gestartet, radeln bis Genf und legen insgesamt 933 km zurück. Nichts für mich! Mein E-Bike und ich kamen schon aus der Puste, als wir die Rheinschlucht besuchten.
Die Rheinschlucht ist wirklich spektakulär. Schon von weitem hört man das Aufbäumen des Wassers, dass sich durch die Schlucht zwängt. Aber wie ich schon in meinem vorigen Artikel erwähnte: Ich bin eine feige Nuss, und ein Abfahren des Rheins mit Kanu oder Schlauchboot ist für mich ein absolutes no-go.
In Reichenau fließen der Vorderrhein (dem ich bisher gefolgt bin) und der Hinterrhein zusammen. Doppelt so breit wird aus dem Gebirgsfluss plötzlich ein „richtiger“ Fluss. Ich radle durch die Orte Tamins und Felsenberg, wo mir immer noch Radler der Haute Tour entgegenkommen. Schneller als erwartet bin ich in Chur.
Die Altstadt von Chur
Durch das Obertor, dem Wahrzeichen der Stadt, betrete ich die Altstadt, die momentan ihr Mittagsschläfchen hält. Nach einem kurzen Rundgang mache ich es der Stadt gleich und erhole meine müden Beine in meinem Hotelzimmer. Das Hotel Chur im Welschdörfli kann ich empfehlen.
Alle Geheimnisse der Stadt Chur verrät mir dann die Stadtführerin Marlen Helmi am Nachmittag beim zweistündigen Rundgang. Zum Beispiel weiß ich jetzt, warum im Fontanapark eine goldene Krone in den Bäumen hängt und dem Fontanabrunnen ein Gesicht verpasst wurde. Ich werde in das Allerheiligste des Rathauses, in den Sitzungssaal, eingelassen und messe nach, ob die Churer Elle wirklich einer (meiner?) Elle entspricht.
Das älteste Haus der Stadt hat ein sogenanntes „Seelenfenster“ und im Bärenloch tanzten angeblich die Bären, nachdem ihnen der Bärenführer die Tatzen auf glühenden Kohlen verbrannten.
Hinter vielen Fassaden der Gebäude verbergen sich kasettierte Decken und stuckverzierte Räume. Was Chur nicht versteckt, sind die kulinarischen Spezialitäten. Ich nasche einen Löffel Sanddorneis in der Evviva Gelati und staune über das Capricornbrot in der Zuckerbäckerei Bühler am Obertor.
Hier verkoste ich den Churer „Röteli“, ein Likör aus schwarzen Bergkirschen, der am nächsten Tag gemeinsam mit einer Bündner-Nusstorte und Bündner Pfirsichsteinen in meinen Koffer wandert. Ob es die Mitbringsel wirklich bis nach Hause schaffen, kann ich aber nicht garantieren!
Etappe 3 – Von Chur nach Buchs mit Zwischenstopp
49 km liegen heute vor mir. Die Tagesetappe lautet von Chur nach Buchs mit einem möglichen Abstecher nach Liechtenstein. Die Akkus des E-Bikes sind voll geladen, ein paar kleine Steigungen sind zu bewältigen. Der Hausberg der Churer, der Brambrüesch, leuchtet in der Sonne. Nach den gestrigen Regenschauern am Abend befürchtete ich, die Etappe im Regen zurücklegen zu müssen. Doch ich habe Glück, es regnet nicht mehr.
Ich brauche nur wenige Minuten um aus der Stadt hinauszuradeln und auf den Rhein-Radweg zu gelangen. Die Route ist sehr abwechslungsreich. Einmal geht es durch ein kurzes Waldstück, dann wieder einmal an einem Schloss vorbei. Das Wasserschloss Marschlins versteckt sich hinter hohen Bäumen und lässt sich so gar nicht fotografieren.
An riesigen Schweinen fahre ich vorbei und an Obstplantagen. Schon sehe ich die ersten Rebstöcke, voll behangen mit Trauben. Hier entstehen die schönsten Fotos meiner bisherigen Reise. Ein strahlend blauer Himmel, ein funktionierendes E-Bike, Weinstöcke soweit das Auge reicht und im Hintergrund die Schweizer Alpen.
Der Rheinradweg führt mich nach Liechtenstein
Den Besuch im Heididorf in Maienfeld hebe ich mir für nächstes Mal auf. Der Rheinradweg zweigt ab und schon bin ich wieder am Damm neben dem Rhein. Ich radle und radle. Statt Abwechslung gibt es Monotonie plus Gegenwind. Das ist keine gute Mischung. Da kommt mir der Abstecher nach Liechtenstein gerade recht. Von weitem sieht man die Burg Gutenberg, die in der südlichsten Gemeinde von Liechtenstein liegt.
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Der Grabser Mühlbach
Dieser Mühlbach stand auf meiner langen, langen Liste „Was-ich-mir-entlang-des-Rheinradweges-ansehen-muss“ und landete dann auf der „Nächstes-Jahr-ist-auch-noch-ein-Jahr-weil-alles-ist-nicht-zu-schaffen“-Liste.
Der Grabser Mühlbach wird vom Grabserbach abgeleitet. Er führt wie eine Lebensader 1,7 km durch das Dorf Grabs und versorgte zu seiner Blütezeit über 20 verschiedene Betriebe wie Sägereien, Mühlen und Schmieden mit der Antriebskraft Wasser. Viele Betriebe wurden mittlerweile elektrifiziert oder aus wirtschaftlichen Gründen ganz eingestellt.
Damit nicht alle Gebäude verschwinden, wurde ein Verein gegründet, der die bestehenden mit Informationstafeln versah. 2010 fiel den Mitgliedern dann die Messerschmiede Roth in den Schoss. Diese Schmiede war in Buchs angesiedelt und stand vor dem Abriss. Die Vereinsmitglieder siedelten die Schmiede in einer aufwändigen Aktion an den Grabser Mühlbach um. Hier steht sie nun, als wäre sie schon immer dagestanden.
Fände man einen Messerschmied, könnte er gleich einziehen, denn die Schmiede funktioniert, wie uns Walter vom Verein Grabser Mühlbach veranschaulicht. Der riesige Blasebalg wird mittels Tretpedal in Bewegung versetzt und das Mühlenrad treibt Dengelhammer, Schleifstein und Polierscheiben an. In solchen Momenten „falle“ ich aus der Zeit. Es ist herrlich, dass es Menschen gibt, die Zeit und Energie in Kulturgut stecken und Altes bewahren, um es ins 21.Jahrhundert zu retten.
Neben der Messerschmiede steht die Werkzeugschmiede Gehler. Auch hier schwingt sich Walter in den Sattel und demonstriert uns den Schleifstein. Bei Führungen können einzelne andere Gebäude wie die Waschküche oder die Schafwollverarbeitung besichtigt werden. Alle zwei Jahre (in den geraden Jahren) nimmt der Verein am Schweizer Mühlentag teil.
Das Städtli Werdenberg mit dem Schlangenhaus
„Jedesmal wenn ich das Schlangenhaus betrete, kommt es mir vor, als wäre es lebendig“. Was die Stadtführerin Bernadette Dudli sagt, hat schon seine Richtigkeit. Das Schlangenhaus in Werdenberg lebt. Wie viele Personen sind wohl unter diesem Torbogen durchgegangen? Haben diese Schwellen überschritten und haben aus diesen Fenstern geschaut? Wie viele Frauen haben in dieser Küche gekocht?
Seit Jahrhunderten steht dieses Haus an seinem Platz. Wurde umgebaut, aufgestockt und verändert. So wie die Menschen, die hier lebten sich veränderten. Sich anpassten mussten. Oder auswanderten. Denn das Leben in Werdenberg war hart. Die Einwohner waren Untertanen von Vögten und Grafen und später Spielball der Franzosen und Österreicher.
Im Schlangenhaus wird diese Zeit lebendig. Besonders wenn man sich an einer der Hörstation den Kopfhörer aufsetzt. Plötzlich trampelt ein Franzose das Stiegenhaus empor, klopft an der Türe und bettelt nach Brot. Diese Episode wird so lebendig erzählt und technisch umgesetzt, dass ich den Kopfhörer abnahm, weil ich glaubte, es käme wirklich jemand die Treppe hoch!
Momentan leben etwa 60 Personen in der kleinsten Stadt in der Schweiz. Es wird viel renoviert. So wie das Schloss Werdenberg, das 2015 neu eröffnet wird. In den Räumen des Schlosses soll das Leben der Grafen und Vögte dargestellt werden, ein gelungener Gegensatz zum Schlangenhaus.
Etappe 4 – Von Buchs nach Walzenhausen
„Die Natur braucht sich nicht anzustrengen, bedeutend zu sein“. Dieser Spruch steht auf einer Tafel im Rheindelta. Die Natur war heute schon den ganzen Tag mein Begleiter am Rheinradweg. Stur fuhr ich den Damm entlang, kein Dorf, kein Ort konnte mich verlocken, anzuhalten und Fotos zu machen. Ich wollte mich auf das Radeln konzentrieren und einfach meine Nase in die Sonne halten.
Den Bodensee sah man noch lange nicht, da lockten schon die ersten Schilder: Zum Strandbad. Doch zuvor musste ich noch die österreichische Grenze passieren und landete mit meinem Rad sprichwörtlich im Schilf.
Der Rhein, der war plötzlich weg. Er mündet in ein künstliches Delta in den Bodensee und schafft zwischen alten Rhein und einem Kanal ein Paradies für allerlei Getier. Wer alles im Rheindelta lebt? 36 verschiedene Libellenarten, Alpenstrandläufer, die Flussseeschwalbe, der Haubentaucher und der Flussregenpfeifer. Außer einer Libelle konnte ich keines der angeführten Tiere entdecken, aber im Schilf zirpte und flatterte es.
Am heutigen strahlend schönen Freitag sind viele Radler unterwegs. Eine Umrundung des Bodensees gehört zu den beliebten Fahrradstrecken in Deutschland, Schweiz und Österreich.
Tipps für eine Bodensee Umradelung gibt es in diesem Artikel >>hier klicken<<
In den Lokalen, die das Ufer säumen, kann man in Euro und Schweizer Franken zahlen. Für mich geht es nach Rheineck, wo mein Rad in die Appenzeller Bahn verfrachtet wird. Natürlich könnte ich die paar Kilometer von Rheineck nach Walzenhausen radeln, aber das Bahnabenteuer lockt zu sehr. Der Zugführer hilft mir sowohl beim Verladen meines E-Bikes als auch beim Aussteigen. Zehn Minuten dauert die Fahrt nach Walzenhausen.
In Walzenhausen ist mein Quartier für diese Nacht gebucht. Und direkt vom Hotelzimmer aus habe ich einen schönen Blick auf den Bodensee.
Etappe 5 – Von Walzenhausen nach Kreuzlingen
Soll ich mit der Bahn von Walzenhausen nach Rheineck runterdüsen? Ich überlege kurz und entscheide mich dann doch in den Ort Rheineck zu radeln. Ich finde Fachwerkhäuser charmant und könnte mal wieder Stunden in einem Ort am Bodensee verbringen, wenn mein nächstes Ziel nicht 52 km entfernt wäre.
Das Wetter ist für meine Rheinradtour perfekt. Nicht zu kalt und nicht zu warm und die dunklen Wolken schrecken mich gar nicht. Bald radle ich am Flugplatz Altenrhein vorbei, wo sich winzige Propellermaschinen zum Start bereitmachen. Der Architekt Hundertwasser lässt ebenfalls grüßen. Nur wenige hundert Meter vom Flughafen entfernt blitzen die goldenen Türme der Markthalle auf. Im Hintergrund dunkle, fette Wolken, gegen die ich anradle. Beim Forum Würth angekommen fängt es zu tröpfeln an. Rein ins Museum oder Regenjacke raus?
Lieber krame ich die Regenjacke raus, die ich dann doch nur für ein paar Minuten brauche. In Rorschach ist gerade ein Beachvolleyballturnier im Gange und ebenfalls viel Sand finde ich ein paar Meter weiter beim Sandskulpturen Festival. Hier kann ich gar nicht anders als abzusteigen. Die Skulpturen sind toll! Eine ist schöner als die andere und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll zu fotografieren.
Mein nächster Halt ist Arbon. Dieses Städtchen ist einen längeren Aufenthalt wert. Ein Fachwerkhaus steht neben dem anderen. Das Schloss Arbon wird gerade als Kulisse für Hochzeitsfotografie genutzt, während nebenan ein Chor in der Kirche probt. Ein paar Minuten bleibe ich und höre zu.
Das Seemuseum in Kreuzlingen
Weiter geht es mit meinem E-Bike über Romanshorn mit seinem wunderschönen Brunnen nach Kreuzlingen, wo das Seemuseum auf mich wartet. Das Museum ist in einem ehemaligen Kornhaus eines Augustinerstifts untergebracht. Es teilt sich den Seeburg Park mit dem Schloss Seeburg, einem Tierpark, einem Heilkräutergarten und einer Jugendherberge.
Ein in einen Holzpfeiler geschnitztes Wappen zeigt das Alter des Gebäudes an, in dem Seemuseum untergebracht ist. 1717 lautet die Inschrift. Die Wendeltreppe, die ich hochsteige ist natürlich nicht so alt. Sie erinnert mich an einen Leuchtturm. In einem Raum sind „Lange Kamine“ ausgestellt, also Dampfschiffmodelle, die auf die Geschichte der größten Binnenseeflotte Europas hinweisen. Nicht weniger als 27 Dampfschiffe verkehrten vor 100 Jahren auf dem Bodensee.
Sehr spannend finde ich die Erklärungen zur Seegfrörni. So gab es Eisprozessionen, die eine Statue des Heiligen Johannes vom schweizerischen Kloster Münsterlingen nach Hagnau am Bodensee über den zugefrorenen Bodensee trugen und bei der nächsten Seegfrörni wieder zurück. 1963 wurde der See zu Fuß, per Auto oder mit dem Fahrrad überquert. Es war ein Naturschauspiel, das wahrscheinlich nicht mehr stattfinden wird.
Die Bodenseefischerei ist ebenfalls ein Thema im Seemuseum. Was hat sich verändert? Die Fischernetze jedenfalls nicht. Denn diese werden seit der Jungsteinzeit bis zu Beginn des 20.Jahrhunderts mit der Hand geknüpft.
Und wieder habe ich in der Schweiz ein besonderes Museum gefunden, in dem die Zeit nur so verfliegt und in dem man einen ganzen Tag verbringen könnte. Da ich aber nicht bis zu meinem Hotel in Gottlieben fliegen kann, trete ich erneut in die Pedale.
Etappe 6 – Von Gottlieben nach Schaffhausen
In Gottlieben falle ich zum zweiten Mal aus der Zeit. Es ist so ruhig hier, so idyllisch. Der Rhein liegt direkt vor der Haustür. Die Drachenburg und seine Bewohner schlafen noch, als ich mich aufs Fahrrad schwinge und mich Richtung Schaffhausen aufmache. Schaffhausen, das wird meine letzte Station am Rheinradweg. Was werde ich noch sehen die letzten Kilometer?
Zuerst sehe ich ihn nicht, ich höre ihn nur. Irgendetwas schnauft da über mir. Irritiert blicke ich nach oben. Bis ich meinen Fotoapparat aus der Tasche fische, ist er schon fast verschwunden, der Zeppelin. Fliegen Zeppeline oder fahren sie? Schön sieht es aus, wie er so elegant davon schwebt.
Alle Dörfer, die ich heute besuche, haben eins gemeinsam: Sie duften nach Rosen. Vor, hinter und neben den Häusern finde ich Rosenstöcke, Rosenstöcke und nochmals Rosenstöcke. Der Rhein heißt hier nicht Rhein, sondern Untersee. Kaum biege ich ab, lande ich in Apfelplantagen. Äpfel, Äpfel, Äpfel, soweit das Auge reicht.
Die lasse ich ebenso hinter mir wie das Schloss Arenenberg mit dem Napoleonmuseum, das Nähmaschinenmuseum in Steckborn und das Museum in Eschenz. Die winzige Insel Werd jedoch besuche ich. Hier leben im Kloster fünf Franziskanermönche.
Stein am Rhein – Ein Juwel aus dem Mittelalter
Steht man am Steg zur Insel Werd, ist im Hintergrund Stein am Rhein zu sehen. Die bemalten Fassaden bringen mich zum Staunen. Wie hunderte andere Touristen auch an diesem Sonntag. Stein am Rhein ist voll, zumindest der Rathausplatz. Ich biege in eine der schmalen Gassen ein und spaziere fast alleine durch die Altstadt.
Mehr Infos über die farbenfrohen Fassaden gibt es in diesem Artikel >>hier klicken<<
Im sehenswerten Museum Lindwurm bin ich fast alleine. Dabei ist das schon wieder so ein Highlight meiner Rheinradreise. Kaum steige ich die paar Treppenstufen hoch, lande ich im Jahre 1850 und zwar mit allem, was dazu gehört. Gesindestube, Dachboden, Küche, Keller, Waschstube, Kinderzimmer, gute Stube, Schlafzimmer und Biedermeiersalon. Alles ist so eingerichtet, als ob die Besitzer des Hauses jeden Moment bei der Tür hereinkommen würden. Der Esstisch ist gedeckt, die Schuhputzpaste liegt bereit und im Dachboden wurde soeben die Wäsche aufgehängt. Wieder so ein hier-ist-es-schön-hier-bleibe-ich-Moment.
Und doch muss ich weiter. Doch vorher lasse ich mich einer Seitengasse kulinarisch verwöhnen. Die Pontoniere feiern heute ihr traditionelles Fischessen mit Felchenknusperli und Hechttranchen.
Weiter geht es Richtung Schaffhausen, links strahlt die Sonne vom Himmel und rechts von mir türmen sich dicke schwarze Wolken auf. Regen am letzten Radltag? Nein, nicht mit mir. Ab jetzt geht es Vollgas mit meinem E-Bike ohne Pausen Richtung Schaffhausen. Und nach insgesamt 275 km heißt es um 14 Uhr und 27 Minuten: Schaffhausen, ich habe mein Ziel erreicht!
Offenlegung: Meine Rhein-Radtour im August 2014 wurde organisiert und unterstützt von Schweiz Tourismus und SwissTrails (UPDATE: das Unternehmen heißt jetzt EuroTrek)
Radfahren mit Gepäckservice kann ich wärmstens empfehlen: Radfahren in der Schweiz
In Schaffhausen habe ich den Munot besucht und natürlich den Rheinfall.
4 Kommentare
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GUDRUN KRINZINGER
Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.
Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.
Grüezi Gudrun,
ich hoffe, du hast eine friedliche und erholsame Nacht in Buchs verbringen können. Wenn du diese Zeilen liest, bist du deinem Reiseziel schon wieder ein ganz kleines Stückchen näher. Ich möchte Dir auf deinen Weg meine besten Wünsche mitgeben, auf dass du wunderbare Sachen erlebst und viele interessante Menschen kennenlernt. Und dass du eines Tages wieder zurück kehrst in unser wunderschönes Kleinod, das Städtli Werdenberg. Mit liebem Gruss deine Städtli- Führerin Bernadette
Wie schön, dass Du Dich meldest, liebe Bernadette. Mittlerweile bin ich schon in Gottlieben und habe viele wunderbare Sachen erlebt und interessante Menschen kennengelernt, wie von Dir erwünscht. Schön war’s bei euch im Städtli und am Grabser Mühlbach. Bis bald!
Schöner Bericht.
In Reichenau befindet sich der Zusammenfluss von Vorder- und Hinterrheins. Der Niederrhein befindet sich in Nordrhein-Westfalen.
Die Gegend um das Hotel heisst Welschdörfli ohne (li).
Liebe Grüsse
Alfred
Lieber Alfred, vielen lieben Dank für Dein Kommentar. Ich habe die Fehler ausgebessert. Dir noch einen schönen Sonntag, Gudrun