Das Kloster Amarbayasgalant in der Mongolei

Ich öffne den Reißverschluss des Zeltes und luge durch den schmalen Spalt. Es ist sechs Uhr früh. Ich sehe eine Herde grasender Pferde. Gemächlich wandern sie durch die mongolische Weite, kein Zaun behindert sie. Auf den ersten Blick wirkt das Bild sehr kitschig, wie eine Filmkulisse, extra für mich gebaut.

Mongolei Camping

Gestern Abend kamen wir in der Nähe des Klosters Amarbayasgalant an und versuchten unser rotes Klappzelt aufzubauen. Ein amüsiert dreinblickender Dasha verscheuchte uns schlussendlich und wies auf einen Hügel hinter dem Kloster, den wir keuchend erklommen. Ich war froh an der frischen Luft zu sein, eine ganztägige Autofahrt in einem mongolischen Kleinbus kann nämlich ganz schön anstrengend sein.

Auf dem Hügel steht ein Stupa. Das buddhistische Bauwerk scheint sehr neu zu sein, in den Reiseführern ist es nicht beschrieben. Die Augen des Buddha blicken streng und sehr erhaben in die mongolische Ebene. Wir wanderten noch ein Stückchen höher, um auf dem nächsten Hügel einen Owoo vorzufinden. Von hier aus hat man überhaupt den schönsten Blick auf das Tal. Die riesige Klosteranlage wirkt plötzlich sehr klein. Ich bin schon neugierig auf die Besichtigung des Klosters. Wird es genauso hektisch und betriebsam sein wie im Gandam Kloster in Ulanbataar?

Stupa in der Mongolei

Das Kloster Amarbayasgalant

Pünktlich um neun Uhr stehen wir vor dem Kloster. Die Türe ist geöffnet und wir wagen uns hinein. Es ist still. Sehr still. Bis auf das Flügelschlagen und Gurren der Tauben höre ich nichts. Keine betenden Mönche, keine Gläubigen. Nur hinter einem Tor bewegt sich etwas. Als ich neugierig näher trete, streckt eine Kuh ihren Kopf durch das Tor. Das Kloster Amarbayasgalant, ein Weideplatz für Kühe?

Amarbayasgalant

Una ist zwischen den vielen Tempeln verschwunden. Erst nach einer halben Stunde taucht sie mit einem müde dreinblickenden 14-jährigen Jungen auf. Sie habe ihn wecken müssen, erklärt sie lachend. Die anderen Mönche schlafen noch. Momentan leben 29 Mönche im Kloster, insgesamt gehören 60 Personen der Klostergemeinschaft an. Die fehlenden Mönche machen Verwandtenbesuche oder besuchen andere Klöster, um zu studieren und sich auszutauschen.

reich geschmücktes Kloster

Der kleine Novize führt uns durch die Klosteranlage, den klimpernden Schlüsselbund in der Hand. Gähnend sperrt er für uns Tür um Tür auf und erklärt die Besonderheiten der verschiedenen Tempel, Bilder und Gegenstände. 1937, während der stalinistischen Zeit, wurden die meisten Gebäude zerstört. Der kleine Mönch zeigt auf die Decke. Hier erkenne man, ob die Tempel alt oder neu seien. Mich erinnern viele der Verzierungen und Ornamente an den Dekor von chinesischen Restaurants.

Gebetsmühlen

Ornament

Im Kloster Amarbayasgalant gibt es einen besonderen Stein. Er wird Gebärmutter genannt. Ona kriecht durch das Loch an der Nordseite, dreht sich im Stein dreimal um die eigene Achse und robbt durch das Loch an der Südseite ins Freie. Da sie sehr schlank ist, ist sie auch nicht steckengeblieben, aber ich probiere das lieber nicht aus! Angeblich ist sie jetzt neugeboren, noch schaut sie so aus wie immer.

Gebaermutterstein Kloster Amarbayasgalant

Mittlerweile haben die Kühe die Klosteranlage erobert. Außer uns und die Kühe interessiert sich offenbar niemand für das Kloster. Im Sommer finden vor dem Kloster rituelle Tsam-Tänze statt. Das wäre ein Grund wiederzukommen und das Kloster von einer anderen Seite und belebteren Seite kennenzulernen.

Kühe im Kloster

Ona bedankt sich bei dem Mönch mit einer kleinen Spende. Während wir in unseren Bus steigen, sehen wir den Jungen in den nächsten Laden laufen. Ona blickt ihm lachend nach. Süßigkeiten wird er sich kaufen, meint sie und setzt sich auf den Beifahrersitz.

Unser Ziel für heute: Die Kuperstadt Erdenet, zweitgrößte Stadt in der Mongolei, und einen Vulkan möchten wir auch noch besteigen. Los Dasha, fahren wir!

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5 Kommentare

  1. Veröffentlicht von TanjasBunteWelt am 12/11/2014 um 17:18

    Ich sag mal neidisch Hallo 😉
    Herrlich die Fotos, wäre ich im Kloster gewesen, ich hätte eh keine Touris oder Menschenmengen sehen wollen! Beim 2ten Besuch dann ja, so kann man alles in sich „aufsaugen“
    Liebe Grüße und bin schon auf deinen nächsten Bericht gespannt

    • Veröffentlicht von Reisebloggerin am 12/11/2014 um 16:38

      Danke Tanja! Ich war nur verblüfft, warum denn gar niemand da war außer ein paar Kühe. Es ist immerhin das drittwichtigste Kloster in der Mongolei nach dem Gandam Kloster und dem Kloster Karakorum, aber die Ruhe und Stille waren wirklich einmalig!

  2. Veröffentlicht von trekking morocco am 14/11/2014 um 16:16

    Vielen Dank für das Teilen dieses sehr interessanten Artikels. Ich genoss es zu lesen! Halten Sie die großartige Arbeit wie gewohnt! gut gemacht!

  3. Veröffentlicht von MoroccoMLTours am 21/12/2017 um 15:13

    Danke, dass du den Beitrag mit uns geteilt hast. Wirklich genossen es weiter zu teilen!!!

  4. Veröffentlicht von Mongoleireise (Philipp) am 15/03/2019 um 23:23

    Toller Text und es erinnert mich daran, wie ich mal so ein paar Lebensjahre schnell wieder runter bekam. In der Mongolei gibt es ja einige Stellen, an denen Du „neugeboren“ wirst. In so einem kleinen Steinhaufen habe ich mich nicht reingewagt, aber mal in einen Berg. Das war dann aber auch schon ein Unterfangen von einer halben Stunde, bis ich mich dort wenden konnte und wieder raus kam. Sie wird auch Höhle der Wiedergeburt genannt und liegt im Khangai Gebirge, in der Mitte der Mongolei.

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Miriam blitzt - Miriam Mehlman Fotografie

GUDRUN KRINZINGER

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