Marseille und die Frioul Inseln
Lieber Jean-Claude Izzo,
„Ich war zu Fuß gekommen. Um mit einer Portion gesalzener Erdnüsse am Hafen entlang schlendern zu können. Ich liebte diesen Spaziergang. Quai du Port, Quai du Belges, Quai des Rive-Neuve. Der Geruch des Hafens. Meer und Schmieröl. Die Fischfrauen priesen unermüdlich aus voller Kehle den Fang des Tages an. Goldbrassen, Sardinen, Seewolf und Rotbrassen.“
Mit diesen Worten schicken Sie Fabio Montale auf Seite 100 Ihrer Marseille-Trilogie durch die Stadt. Und mich jetzt auch.
Der Port Vieux in Marseille
Gesalzene Erdnüsse hatte ich zwar nicht in der Hand, aber ein Croissant und natürlich meine Kamera. Fischmärkte mag ich, noch dazu wenn sie so unspektakulär daherkommen wie dieser hier. Fischen ist hartes Handwerk. Ich sah am Port Vieux alten Männer und Frauen bei der Arbeit zu. Wie lange wird es in Marseille noch Fischer geben, die mit ihren Fischkuttern ins Hafenbecken fahren, ihren Fang ausladen und in Plastikwannen anbieten?
Nur wenige Meter weiter und schon stand ich vor dem Ticketoffice der Fähre zu den Frioul Inseln. Und nein, ich musste nicht rudern wie Ihre Hauptfigur auf Seite 229:
„Ich packte Pullover, Decken und eine Flasche Lagavulin ein. Ich nahm Lole an der Hand und führte sie zum Boot. ich ruderte am Damm vorbei, dann ließ ich den Motor an und nahm Kurs auf die Frioul Inseln.“
Frioul Inseln, dieser Name sagte mir etwas.
Ich blätterte im Reiseführer und fand die Lösung: Alexandre Dumas nutzte die Insel If (eine der vier Frioul Inseln) als Schauplatz für seine Romane „Der Graf von Monte Christo“ und „Der Mann mit der eisernen Maske“.
Noch viel früher erlangte die kleine Insel Berühmtheit, als hier das erste Nashorn, das Europa je gesehen hat, Station machte. Es war ein Geschenk des indischen Königshauses an den portugiesischen König. Der indische König schenkte das exotische Tier dem Papst weiter. Die Fracht legte 1516 eine Pause auf der Insel If ein, wo das Nashorn von den Fischern misstrauisch beäugt wurde. Ob diese Geschichte wahr ist?
Trotzig steht es da, das Chateau d’If. Uneinnehmbar, und das blieb es auch. Zumindest bis 1880, denn ab da wurde die Anlage der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Jetzt fährt fast stündlich ein Boot vom Marseiller Hafen zu dieser Touristenattraktion.
Die Insel Ratonneau, eine von den vier Frioul Inseln
Viel ruhiger ging es auf der Insel Ratonneau zu. Sicherlich, die kleinen Strände in den Buchten waren heiß begehrt an diesem sonnigen Tag im Oktober, aber kaum lief ich Richtung Festungsruine, ließ sich kaum jemand blicken. Den Blick auf die Basilika Notre-Dame-de-la-Garde, auf die Segelboote und die herumstolzierenden Möwen hatte ich ganz alleine.
Die Rückfahrt mit der Fähre war spektakulär. Die Farben des Meeres, die untergehende Sonne, der Alte Hafen, die Luft, die Lichter, alles, aber auch alles war berauschend. So wie der Pastis, den ich zum ersten Mal in meinem Leben trank. Natürlich im nächtlichen Panier, auf dem großen Platz, den die Straßen Rue du Panier, Rue des Pistoles, Rue Rodillat und Rue du Petit Puits einschließen.
Sie selbst, Monsieur Izzo, gaben mir die Anleitung in Ihrem Buch auf Seite 138:
Corot, ein alter Kumpel, wusste einen Pastis erst nach dem dritten zu schätzen. Den ersten trinkst Du gegen den Durst. Beim Zweiten kommst Du langsam auf den Geschmack. Und der Dritte schließlich schmeckt!
Prost, so heißt der Trinkspruch in Österreich, „ à votré santé“ auf Französisch. Ich trinke auf Sie und Ihre berühmte Trilogie!
A bientôt,
Ihre Reisebloggerin
Fortsetzung folgt….
Marseille besuchte ich vom 24.-27.Oktober 2014.
Die kursiv gesetzten Zitate im Text stammen aus dem Buch:
Die Marseille-Trilogie von Jean-Claude Izzo, erschienen im Unionsverlag, Zürich.
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20 Kommentare
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GUDRUN KRINZINGER
Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.
Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.
Oh wie wunderbar geschrieben und fotografiert ….. Chapeau!
lg Ulli
Danke Ulli!
Wunderschön geschrieben und die Fotos einfach toll. Für mich hat sich dabei ein Frage beantwortet, die sich schon lange stellte: Der Film „French Connection – Brennpunkt Brooklyn“ aus dem Jahr 1971 mit Gene Hackman fängt in Marseille an, u.a. auch auf einer dieser Inseln. Jetzt weiß ich endlich worum es sich da handelt, die Aussicht von dort gefällt mir (uns) immer wieder wenn wir diesen Film schauen 🙂
LG
Elke
Echt? Ich kenne den Film, habe den aber schon ewig nicht gesehen! Den muss ich mir gleich mal anschauen…..und weg war die Reisebloggerin und suchte die Bibliothek auf…
Dann mal los, wir haben ihn auf DVD. Vielleicht erkennst Du da ja noch mehr wieder. Kannst mir ja dann mal schreiben. Wünsche Dir ein schönes Wochenende 🙂
LG
Elke
Mach ich Elke!
Sehr schön geschrieben und wunderbar fotografiert! Ich muss gestehen, bei meinem bisher einzigen und sehr kurzen Besuch hat mir Marseille auf den ersten Blick nicht gefallen. Sehr schön dagegen fand ich das ganz in der Nähe gelegene Cassis. ..Aber vielleicht sollte ich doch noch einmal einen zweiten Blick riskieren. 😀
In Marseille könnte man eine ganze Woche bleiben, dass weiß ich aber auch erst nach meinem Besuch letzten Oktober. Cassis kenne ich nicht, danke für den Tipp!
Wunderschöne Bilder und ein wirklich schöner Text dazu. Jetzt bekomme ich direkt einmal Fernweh. Doch bis zum nächsten Urlaub dauert leider noch etwas.
Marseille ist wirklich eine Reise wert, auch übers Wochenende!
Richtig schöne Bilder, bei denen man direkt auch reisen möchte 🙂 Freue mich schon auf den Sommer!
Ich wünsche dir ein wunderschönes Wochenende! glg Olga
Danke! Auf den Sommer freue ich mich ebenfalls!
Ganz toller Beitrag, vor allem mit den Zitaten aus dem Buch und den tollen Fotos dazu. Marseille möchte ich auch unbedingt mal sehen, ich hoffe es kommt bald dazu. Super Blog, mach so weiter Gudrun! 🙂
Danke Jürgen! Mit den Zitaten konnte ich meine beiden Leidenschaften Lesen und Reisen gut verbinden!
Frankreich ist immer eine Reise wert, bei mir ist es schom wieder eine ganze Weile her, 2008 haben wir die Cote d’Azur besucht und lieben gelernt. Aber die Planung für den nächsten Frankreichbesuch läuft schon…
Ja, in Frankreich gibt es noch soviel zu entdecken. Mein Ziel für 2015 ist Bordeaux…
Toller Beitrag, mir gefällt supergut wie du die Atmosphäre eingefangen hast!
Danke Eva, aber daran ist Marseille schuld. Die ganze Stadt IST Atmosphäre…
Ein toller Bericht und schöne Bilder!!! Da freut man sich doch gleich wieder auf die nächste Südfrankreich – Reise!
Vielen Dank!