72 Stunden Mumbai
Du wirst es lieben, sagten die einen. Die Paläste, die Düfte, das wunderbare Essen, das ganze Land. Du wirst es hassen, sagten die anderen. Die Armut, der Gestank, die vielen Menschen, betrügerische Taxifahrer, das ganze Land. Was alle verwunderte? Warum ich mir gerade Mumbai als ersten Indien-Trip aussuchte. Rajastan, Kerala und Goa als Einsteigerziel hätte jeder verstanden, warum aber ausgerechnet Mumbai?
Meine 72 Stunden in Mumbai
Ich selbst verstand es ja auch nicht so genau. Nach drei Tagen in Mumbai wusste ich noch immer nicht, was passierte da gerade in dieser Stadt. Was passierte mit mir? Nachdenklich blickte ich aus meinem Hotelfenster auf die Mumbaikar, die am Marina Drive entlang flanierten.
Nach 72 Stunden in dieser Stadt weiß ich immer noch nicht, ob man die Straße bei rot oder grün überquert. Der Taxilenker, der mich vom Flughafen in die Stadt brachte, machte nämlich keinen Unterschied zwischen den zwei Farben. Die Hupe war sein bester Freund und der Mittelstreifen der Fahrbahn seine Leitlinie zum Hotel.
Die Hupe ist der beste Freund des Taxifahrers
Wobei Taxifahren in dieser Großstadt ist eigentlich gar nicht so kompliziert. Es sitzen keine betrügerischen Taxilenker in ihren manchmal schwer angeschlagenen Fahrzeugen, aber vielleicht braucht man in Mumbai wirklich keinen Rückspiegel und Blinker sind sicherlich schwer überschätzt. Jedes der Taxis ist mit einem Taxometer ausgestattet und sollte der Taxilenker den Gebrauch verweigern, wie es in der Nähe der großen Hotels vorkommt, es gibt immer einen anderen Lenker der einen ans gewünschte Ziel bringt und zwar ohne Navigationsgerät.
Man gewöhnt sich sogar an die Hup-Orgien, sodass mir am ruhigen Samstag (weniger Verkehr als sonst) im Taxi direkt unwohl wurde. Schon nach drei Tagen vermisste ich die sinnlosen Hupgeräusche!
Die meterhohen Müllberge, die mir versprochen wurden, fand ich ebenfalls nicht vor. Die Straßen Mumbais sind sehr sauber, viel sauberer als gedacht. In den Straßen der Stadtviertel Fort und Colaba sieht man ständig jemanden beim „Beserln“ und sogar am Hausstrand, dem Chowbatty Beach, findet man alle paar Meter eine Mülltonne vor. An der Qualität des Meerwassers könnte man noch arbeiten, aber gibt es nicht immer etwas zum Verbessern?
Indien und Mumbai, ich kannte es bloß von Erzählungen, von Büchern und Filmen. Und ich stehe noch immer in meinem Hotelzimmer, hoch über der Stadt mit Blick auf die Skyline. Kann man dieser Stadt mit Literatur, mit Filmen beikommen? Als chaotischer Moloch wird sie bezeichnet, aber trifft das wirklich zu auf diese Stadt, die eines der effizientesten Geschäftsunternehmens namens Dabbawallahs besitzt?
Von Dabbas und Dabbawallahs in Mumbai
Dabba heißt die mit Codes markierte, mehrstöckige Henkelbox, in der Mittagessen verstaut wird. Und ein Dabbawallah ist einer von 5000 Zustellern, die diese Lunchboxen von den Haushalten in den Vororten Mumbais einsammelt und an einen von 200 000 Empfänger ausliefert.
Wie dieses System funktioniert ist um 11.15 an der Schnellbahnstation Churchgate zu bewundern. Hier kommen einige der Zusteller an, die das Mittagessen ihrer Kunden auf schmalen Tragen auf dem Kopf transportieren. Jetzt wird umgeschlichtet. Dabbawallahs verteilen die Boxen neu, sortieren um und der Transport erreicht pünktlich zur Mittagszeit die hungrigen Ehemänner.
Anschließend werden die leeren Boxen wieder eingesammelt und die Tour wird in die entgegengesetzte Richtung unternommen, sodass die leeren Boxen wieder bei den Hausfrauen landet. Angeblich landet nur eine von 6 Millionen gelieferten Boxen falsch und was mit dieser einen Box passiert, erzählt der sehenswerte Film „Lunchbox“.
Hat man dieses funktionierende System einmal gesehen, weiß man, mit Chaos hat das nichts zu tun. Und genauso wenig chaotisch, sondern dörflich ruhig, ist es beim Banganga Tank. Dieses Wasserbecken, umgeben von heiligen Tempeln, ist eine Besonderheit in dieser Stadt.
Markttag in Mumbai
Eine weitere Besonderheit Mumbais sind die vielen Märkte, die nördlich des Crawford Marktes ineinander übergehen. Blumen, Obst, Gemüse, Silberbesteck, Schmuck, Saris, Kohle, alle nur erdenklichen Waren wechseln sich ab und werden an den Mann oder an die Frau gebracht. Von Chaos kann auch hier keine Rede sein, es herrscht ein normales Gedränge wie an jedem anderen Markt auch.
Ans angestarrt werden gewöhne ich mich rasch. Inder sind nun mal neugierige Leute. „Welcome to Mumbai“ höre ich oft und kaum krame ich meinen Stadtplan aus der Tasche ist schon jemand zur Stelle und hilft mir weiter.
Gekauft habe ich nichts. Und so stehe ich noch immer am Fenster meines Hotels und blicke hinab auf die Mumbaikars, die den Marina Drive entlangschlendern. Sie wirken zufrieden und sind stolz auf ihre Stadt, zumindest kommt es mir so vor. Von hier oben wirkt Mumbai wie ein Ameisenhaufen, alles läuft in geregelten Bahnen.
Hass und Liebe sind viel zu starke Begriffe für eine Stadt oder für ein Land und ich entschließe mich Mumbai einfach zu mögen, sehr sogar.
Die Swiss hat die Flugkosten für den Flug nach Mumbai übernommen. Vielen Dank dafür!
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5 Kommentare
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GUDRUN KRINZINGER
Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.
Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.
Toller Artikel, Gudrun!
Ich habe schon oft die verschiedesten Erfahrungen aus Mumbai gehört, war allerdings leider noch nie selbst dort. Wüsste allerdings auch nicht, ob ich die Stadt lieben oder hassen soll 😉
Viele Grüße
Mathias – underwaygs.com
Danke Matthias! Was erzählen Deine Freunde und Bekannte denn so? Würdest Du trotzdem hinfahren?
Wow, echt geniale Eindrücke und gerade die Dabbawallahs finde ich total interessant (den Film dazu muss ich mir wirklich mal ansehen). Ich hab mich persönlich ein klein wenig in Delhi verliebt. Eine total verrückte Stadt, aber das Gewusle mochte ich einfach. 🙂
Liebe Grüße
Christina
Der Film ist einfach super! Dehli kenne ich noch nicht, aber ein Beitrag über Mumbaier Gewusle kommt noch…
Hallo, ich war dieses in Indien unterwegs unter anderem 2Tage in Mumbai Januar, Februar 2018. als ich deine Seiten gelesen habe, musste ich schmunzeln. Es könnten meine Worte sein. Mumbai, ist eine wunderschöne Stadt. Mit vielen Geschichten und speziellen Orten. So gehe ich dieses Jahr nochmals hin. Nur Mumbai die Stadt besuchen. Ich freue mich sehr.
Danke für den schönen Bericht.