Waldviertler Handwerkswochen
„Wenn am Navi ‚Straße ohne Namen’ steht, dann ist man im Waldviertel“, lacht Elena, meine Begleitung der kreativen Handwerkswochen an diesem Freitag. Unser Stützpunkt ist das Bierhotel in Weitra, der ältesten Braustadt Österreichs.
Mit dem Braumuseum, untergebracht im Schloss, dem Weitraer Bierpfad, der durch den Ort führt, und der Hausbrauerei im Brauhotel hätten wir genügend Möglichkeiten uns ausschließlich mit der Geschichte und Verkostung des Gerstensafts zu beschäftigen. Doch viel lieber verkosteten wir am Vorabend beide den Nachtisch: Variation von Bierparfait und Bierschokoladenauflauf mit Hippe und Himbeeren. Was soll ich sagen: Bierig gut!
Waldviertler Handwerkswochen
Von Weitra aus erobern wir das kreative Waldviertel. Aus insgesamt achtzehn Kreativ-Kursen haben wir drei ausgewählt: Perlmutt drechseln in Felling, Schmiedekunst in Zwettl und Glas blasen in Neu-Nagelberg.
Die erste Aufgabe an diesem Freitag ist es nun, pünktlich am Kursort in Felling einzutreffen. Aber merke: Im Waldviertel bzw. in ganz Österreich gibt es EINE einzige Perlmuttdrechserlei, aber es gibt ZWEI Orte namens Felling. Und das gesuchte Felling ist bei Hardegg, nicht bei Gföhl. Ich wiederhole: Wer die Perlmuttdrechslerei sucht, ist in Felling bei Gföhl falsch! Aber wer das Waldviertel so richtig gut kennenlernen will, dem macht so ein Roadtrip quer durchs Land sicherlich nichts aus.
Wir fahren vorbei: An Wäldern, Wiesen, Äckern, Gutshäusern, Stauseen, Kirchen, Ortschaften und vielen, vielen Schlössern. Vielleicht wird meinem Antrag stattgegeben und man tauft das Wald- in Schlossviertel um?
RM Perlmuttdrechslerei im Waldviertel
Im Anschluss einer Filmvorführung (Wie entstehen Perlen? Wo kommen die schönsten Perlen her? Wie werden Zuchtperlen hergestellt? Wie drechselt man Perlmutt?) zeigt uns Rainer Mattejka seinen Betrieb. Was mich besonders interessiert: Wie kommt man im Waldviertel dazu, Perlmutt zu drechseln? Des Rätsels Lösung liegt ganz nah: Aus der Thaya, einem Nebenfluss der March, wurden Flussmuscheln gefischt und verarbeitet.
Nach dem Bau eines Staudamms in Tschechien wurden die heimischen Bestände knapp und man begann mit dem Import von Meeresmuscheln aus Indonesien und Australien. In seiner Blütezeit arbeiteten bis zu 45 Mitarbeiter im Betrieb mit. Doch dann kam die Zeit der Kunststoffknöpfe, Mitarbeiter wurden entlassen und der Großvater des heutigen Besitzers musste Zwangsausgleich anmelden. Aufgeben kam für ihn jedoch nicht in Frage. Er führte den Betrieb als „Ein-Mann-Betrieb“ weiter, bis sich die wirtschaftliche Situation besserte.
Heute werden jährlich wieder mehr als acht Millionen Knöpfe exportiert. Berühmte Namen aus der Modewelt wie Escada, Cerutti und Lacoste gehören zu den Abnehmern des Waldviertler Familienbetriebes. Trotz Einsatz moderner Maschinen steckt noch viel, viel Handarbeit in so einem Knopf. Da wird geschliffen, gebohrt, gewaschen, gefärbt, gebleicht, poliert und bei der abschließenden Qualitätskontrolle blitzschnell aussortiert.
In Felling werden nicht nur Knöpfe produziert, sondern auch Schmuckstücke, Perlmuttlöffeln, Flaschenkorken und allerlei Dekoratives. Für unser Werkstück, eine Kette aus Knöpfen zu knüpfen, bleibt uns heute leider keine Zeit. Wir müssen auf jeden Fall wiederkommen!
Zwettler Hammerschmiede Friedrich Fürst
Unser nächstes kreatives Ziel erreichen wir fast pünktlich. Friedrich Fürst begrüßt uns, zeigt auf das Schild oberhalb der Eingangstür der Schmiede und lacht: „1478 wurde diese Schmiede gegründet und im Anschluss entdeckte Christoph Columbus Amerika“. Wir bekommen eine Führung durch sein Reich (Friedrichs, nicht Columbus) und landen dann doch sehr schnell vor der Esse, wo gerade ein Messer fabriziert wird.
Wenig später sind wir mit Handschuhen ausgestattet und halten ein Stück Eisen ins Feuer. Und da fallen uns dann natürlich allerhand Sprichwörter ein, die mit dem Handwerk Schmieden in Verbindung stehen: „Das Eisen schmieden, solange es heiß ist“ und „Mehrere Eisen im Feuer haben“. Momentan sind zwei Eisen im Feuer, Elenas und meins. Was daraus werden soll? Ein Fisch. Wobei nach einer halben Stunde hämmern, Eisen ins Feuer halten, hämmern, Eisen ins Feuer halten, das Stück Eisen noch immer aussieht wie ein Stück Eisen und ganz und gar nicht wie ein Fisch.
Nur langsam erzielen wir erste Erfolgserlebnisse und es entsteht so etwas Ähnliches wie eine Schwanzflosse. Ab und zu gelingt ein guter Schlag und das Metall gibt nach wie Plastilin. Nur dann hat man die perfekte Temperatur erreicht, erklärt uns Friedrich.
Mein Hammer liegt immer schwerer und schwerer in der Hand und die ankommende SMS wird für eine wohlverdiente Pause genutzt. Die Frage „Was machst Du?“ beantworte ich mit „Ich schmiede“ und bekomme zurück „große Pläne?“. Mittlerweile zittert meine Hand vor Anstrengung, den Muskelkater spüre ich genauso wie die kleine Blase, die sich an meinem rechten Daumen bildet und ich erspare mir eine Antwort.
Friedrich ist ein geduldiger Lehrmeister, der aber auch helfend eingreift. Mit seiner Hilfe (und seinen Muskeln) nimmt mein Fisch endlich Form an. Ich bin zufrieden. Unsere Mühe wird nicht nur mit dem Werkstück belohnt, sondern Friedrich zeigt uns auch noch den Brauch des Bierstachelns. Prost Friedrich, auf Dich!
Waldviertler Handwerkswochen in der Waldglashütte Kurt Zalto
Altes Glasrezept: 3 Teile Meersand, 180 Teile Asche, 2 Teile Salz, 1 Teil Kreide. So steht es über einer Tür in der Waldglashütte in Neu-Nagelberg geschrieben. Und soviel hat sich da gar nicht verändert, wie uns Kurt Zalto, der Inhaber der Glashütte und wandelndes Lexikon in punkto Glaskunst und Glasgeschichte, versichert. Gespannt sehe ich zu, wie Ladja einen roten unförmigen Glasklumpen aus dem Schmelzofen holt. Er und Franz sind ein eingespieltes Team, die mit Präzision und Schnelligkeit aus diesem Klumpen in wenigen Minuten einen Frosch zaubern. Ich bin noch ganz angetan vom Ergebnis, da wandert dieser Frosch in den Kühlofen und die beiden Glaskünstler arbeiten schon hochkonzentriert am nächsten.
Kurze Zeit später stehe ich dann selbst neben den beiden und hole mit einer Glasmacherpfeife einen Klumpen aus dem Ofen. Drehen, drehen und wieder drehen lautet die Anweisung von Ladja. Mit seiner und Franz Hilfe soll ein Fisch entstehen. Der Klumpen wird mit Hilfe eines Werkzeuges zu einer Art Kugel geformt und dann wird es spannend. Ich blase in die Pfeife und wirklich: Es tut sich was und aus der kleinen festen Kugel wird eine große!
Die Kugel wandert in den Ofen, ich drehe, drehe, drehe, raus aus dem Ofen, noch mal wird geblasen, rein in den Ofen. Franz hat mittlerweile einen zweiten Klumpen Glas vorbereitet, denn ein richtiger Fisch braucht natürlich noch Schwanz- und Rückenflossen, Augen und einen Kussmund. Action pur! Mit vereinten Kräften und verschiedenen Werkzeugen bringe ich das heiße und dadurch dehnbare Glas – es erinnert mich an zähen Kaugummi – in die richtige Position. Fast hätte Ladjas Finger dran glauben müssen!
Nur kurz darf ich den fertigen Fisch bewundern, der – schwupps – im Kühlofen landet. Ich glaube, das waren die aufregendsten Minuten meines Lebens!
Kurz bleibt uns noch Zeit für einen Rundgang im Glasmuseum und dem Shop. Und dann heißt es leider Abschied nehmen von den Waldviertler Handwerkswochen. Beim Nachhausefahren fallen mir noch zwei Namen ein, die ich dem Waldviertel geben möchte: Kreativ-Viertel und Handwerksviertel. Hab ich eure Stimme?
Vielen Dank an Waldviertel-Tourismus für die Einladung zu den Waldviertler Handwerkswochen.
Vielen Dank an Rainer Mattejka, Friedrich Fürst und Kurt Zalto. Ihr seid kreative Künstler!
Vielen Dank an meine Freundin Elena, fürs chauffieren und kreativ sein! Wie immer warst Du mit Deinem Bericht ein bisserl schneller:
Waldviertler Handwerkswochen: Schnitzen, Schmieden, Glasblasen unter Gleichgesinnten
9 Kommentare
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GUDRUN KRINZINGER
Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.
Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.
Ich bin für das „Kreativ-Viertel“! Schöner Bericht!
Ich auch!
Eine weitere Stimme fürs Kreativ-Viertel.
Deine Beiträge sind toll!
Danke Mia!
Hi liebe Gudrun,
was für ein toller Bericht. Beginnend mit einer leckeren Verkostung geht es gestärkt zur Besichtigung 🙂
Die Kunstwerke die aus Glas entstehen können sind einfach zauberhaft und ich selbst habe einen Schmuck aus Glas daheim, denn meine Schwester arbeitet auch in einer Glaserei als Verkäuferin 🙂 Also quasi direkt an der Quelle & darum schätze ich diese Kunstwerke aus Glas sehr.
Schade dass zu wenig Zeit war für eure Knüpfkette, die sieht nämlich richtig toll & außergewöhnlich aus.
Ein zweiter Besuch lohnt sich also auf alle Fälle.
Danke für den tollen Bericht, viele Grüße Heike
Liebe Heike, Danke für Deine Nachricht. In welcher Gegend wohnst Du denn bzw. Deine Schwester? Gibt es dort viele Glasereien?
Wir wohnen hier und wandern jede Woche durch diese herrliche Landschaft.
http://www.zwalk.at/
Daher liebe Grüße aus dem Waldviertel.
Und ward ihr schon mal kreativ in eurem Viertel?
Wer einen Blog betreibt muss kreativ sein – oder ?