Die 24 Stunden extrem Tour
Meine Motivation lag bei null. Wenn ich mir es genau überlege, sogar bei unter null. Seit zwei Tagen plagten mich fiese Halsschmerzen, ich fühlte mich fiebrig und eigentlich wäre es ein „Ich-bleib-dann-mal-im-Bett-Tag“ gewesen. Aber im Kalender stand dick und fett: 24 h extrem Tour. Und diese Tour lässt man nicht so einfach sausen.
So quälte ich mich um 3:30 aus dem Hotelbett, packte meine sieben Zwetschken ins Auto und ließ mich Richtung Oggau chauffieren. Mein Begleitfahrzeug samt Begleitung hatte ich auch heuer wieder dabei. Nachdem dies meine dritte Tour rund um den Neusiedlersee werden sollte, fühlte ich mich sowieso schon wie ein Profi. Im Grunde hatte ich die gleichen Sachen an wie letztes Jahr, nur um eine Schicht mehr. Die Temperaturen lagen deutlich unter null, laut Thermometer im Auto hatte es minus 11 Grad.
In Oggau angekommen folgte ich brav den Anweisungen von Michael, einem der Organisatoren der Tour, und fügte mich ins Startfeld ein. Ich war eine von 1718. 1718! Wahnsinn! Wir alle wollten einmal um den See. Wirklich alle? Also die Person mit der Startnummer 206, das war meine, wollte ins Bett. Nicht lange überlegen, der Startschuss ertönte und wir liefen los. Ich mittendrin.
The same procedure as every year. Für manche hieß das laufen, laufen, laufen. Für manche gehen, gehen, gehen. Für Alex, dem Koordinator des 24-h-Notfall- und Versorgungsteam, hieß es telefonieren, Tee ausschenken und Mut spenden. Alles gleichzeitig, ein Multitalent.
Es wäre nicht die 24 Stunden extrem Tour, wenn ich nicht jedes Mal etwas Neues lernen würde. Zum Beispiel die Bedeutung des Wortes „arschkalt“. Und zwar am eigenen Leib. Zusätzlich verdanke ich einem Mitgeher eine mir völlig neue Vokabelkonstruktion namens „Nervös-Urinierer“. Nach den ersten 500 gelaufenen Metern verschwanden diese Personen kurz zwischen den Weinstöcken. Meines Wissens waren nur Männer betroffen.
Neu war auch, dass heuer eine Startgebühr von 24 Euro erhoben wurde. Diese wussten die Organisatoren der Tour aber perfekt einzusetzen.
Erstens bestellten sie Traumwetter. Zwar war es kalt, die Wege waren gefroren und sogar im gefürchteten Teilstück durch den Nationalpark begehbar. Außerdem hatten sie Sonne bestellt. Oft hörte ich den Satz „Wenn ich es heuer bei diesen Traumtemperaturen nicht bis nach Oggau schaffe, schaffe ich es nie mehr.“
Zweitens bemühten sie sich um ein umfangreiches Entertainment-Programm. Wir wurden zum Beispiel mit einem traumhaften Sonnenaufgang verwöhnt. Es war Gänsehautfeeling, als sich dieser rote Ball namens Sonne aus der Steppe erhob und uns kurzfristig ins Morgenlicht tauchte. Einige Stunden später zog ein Flugzeug über unseren Köpfen seine Runden. Auf dem Spruchband standen die Worte „Live Love Move“, das Motto der Tour. Ich blinzelte in die Sonne und freute mich. Zusätzlich sorgte in Ungarn eine Cheerleadertruppe für Motivation. Die örtliche Kindergartengruppe stand im Garten und feuerte uns an: „Hallo, hallo, hallo!“. Wir lachten und winkten zurück.
Dass ich die beiden neuen Labestellen in Ungarn in Augenschein nehmen konnte, verdankte ich dem Umstand meiner Faulheit. Ich war zu faul um aufzuhören. Ursprünglich wollte ich die Tour in Balf beenden. Doch es war einfach zu schön. Das Wetter, die Leute, die Stimmung, das ganze Drumherum. Das Halsweh hatte sich auch verflüchtig. Warum also aufhören?
Frohen Mutes stapfte ich voran. Gudrun klein, ging allein, in die weite Welt hinein….
Plötzlich eine Luftspiegelung! Apetlon! Jedes Jahr erschien mir dieses Dorf wie eine Fata Morgana, das in der unendlichen Steppe des Burgenlands auftauchte. Denn jedes Jahr hatte ich das Gefühl, Apetlon rücke weiter weg, je näher ich kam. Und jedes Jahr zogen sich die letzten paar Kilometer wie der sprichwörtliche Strudelteig.
Apetlon war ein wichtiges Etappenziel, weil Würstelzeit für die Hungrigen, Bierzeit für die Durstigen, Halbzeit für die grenzenlos Motivierten. Zu diesem Zeitpunkt war mir klar, ich würde weitergehen. Mein Begleiter, ausgerüstet mit Thermosflasche und Müsliriegel, eilte mir an allen möglichen Ecken und Enden entgegen und versorgte mich mit News über die weitere Strecke. Mit seiner Hilfe fand ich in Illmitz den Weg weiter Richtung Podersdorf.
Bis heuer hatte ich mich nie mit dem Gedanken anfreunden können, in die Nacht hineinzugehen. Nicht weil ich Angst verspürte. Aber ein gewisses Unbehagen war da. Im Nachhinein gesehen zählte dieser Abschnitt zu den schönsten. Der Mond, der gute Mond, leuchtete mir den Weg, sodass ich meine Stirnlampe nach wenigen Minuten ausschaltete. Es war so unglaublich still und ruhig. Ab und an wurde ich von schnelleren Gehern überholt und in regelmäßigen Abständen kam ein Fahrzeug von Alex‘ Versorgungsflotte vorbei: „Na, wie geht’s? Eh alles ok?“. Endlich kam ich in Genuss das berühmt-berüchtigte Ortsschild „Servus in Illmitz, Ortsteil: Hölle“ zu fotografieren.
Und wie schon letztes Jahr war ich unglaublich dankbar. Dankbar, einen Schritt vor den anderen setzen zu können, nicht zu müssen. Dankbar, weil es einem Team aus drei Leuten mit einer eigentlich simplen Idee gelang, 1718 Personen in Bewegung zu versetzen. Dankbar, weil ich einen Partner habe, der mich bei meinem Weg des Lebens unterstützt und begleitet. Dankbar, weil mir eine Freundin einen Floh ins Ohr gesetzt hatte. „Richte der Maria vom Seecafé einen ganz lieben Gruß von mir aus“, schrieb sie mir noch am Vorabend unter ein Foto auf Facebook, womit ich meine Teilnahme an der Tour angekündigt hatte.
Die Grüße habe ich ausgerichtet. Ich musste dafür zwar 75 km gehen, aber jeder einzelne Schritt hat sich ausgezahlt.
Ein herzliches Dankeschön an alle die die 24 Stunden extrem Tour organisiert, gesponsert, unterstützt, begleitet und geholfen haben.
Ein extra Dankeschön an meine Begleitung. Ohne Dich hätte ich es nicht geschafft.
Martin war ebenfalls auf der 24 Stunden extrem Tour unterwegs. Hier sein Bericht:
https://www.gehlebt.at/24h-burgenland-extrem-tour-2016/
Und wie erging es Peter? Hier seine Erfahrungen:
http://up-and-away.beepworld.de/24h-burgenland-extrem-2016-2016-01-23.htm
So war meine Tour 2015:
https://www.reisebloggerin.at/2015/02/24-stunden-burgenland-extrem-tour/
So war meine Tour 2014:
https://www.reisebloggerin.at/2014/02/24-stunden-burgenland/
6 Kommentare
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GUDRUN KRINZINGER
Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.
Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.
Nächstes Jahr dann ohne Halsschmerzen noch ein Örtchen weiter? 🙂
Wir werden sehen!
Respekt!!! Das muss eine ganz schön körperliche Herausforderung sein. Und dass man am Ende Dankbarkeit fühlt, kann ich mir gut vorstellen. Mir ging das nach 5Tagen Trekking in Nepal so, wobei ich auf dem Weg ein, zwei Mal mit den Tränen gekämpft habe.
Am Ende zählt doch etwas geschafft zu haben, (s)ein Ziel erreicht zu haben. Und Tränen sind manchmal sehr, sehr wichtig!
gratuliere! echt toll.
Danke!