Rotweinherbst in Horitschon
Was ich am Samstag beim Rotweinherbst in Horitschon gelernt habe?
Dass die Weinbauern beruflich sehr flexibel sind. Zum Beispiel bezeichnet sich Franz Weninger vom gleichnamigen Weingut als Geburtshelfer, bei Alfred Moritz weiß ich jetzt nicht so genau, ist er mehr Künstler oder mehr Winzer, Weinkünstler ist er auf jeden Fall und sowohl Franz Strass als auch David Kerschbaum gehen als Taxifahrer durch. Nicht in Wien, dafür sind sie viel zu freundlich.
Aber alles der Reihe nach. Normalerweise starte ich mit einem Espresso in den Morgen, in Horitschon ist alles anders, hier bekomme ich zum Auftakt des Horitschoner Rotweinherbstes in der Vinothek ein Glas Rosé Sekt serviert. Auch nicht schlecht, denke ich mir, so köstlich könnten die Tage öfters beginnen. Mein Weinglas trägt unten am Stiel ein rotes Ringerl, das bedeutet ich darf am Samstag, dem Tag der offenen Kellertür, jeden teilnehmenden Winzer um einen Schluck bitten und am Sonntag bei der Riedenwanderung an bestimmten Stationen die besten Lagenweine verkosten.

Im Weinkeller von Alfred Moritz in Horitschon
Und wen der 16 Winzer soll ich jetzt mit meinen Besuch beehren? Die Vinothekarin hilft mir bei der Auswahl und schon stehe ich im Weinkeller von Alfred Moritz. Schon ist gut, denn zuvor musste ich noch alle Schnitzereien, Skulpturen und das riesige Weinfass im Garten bewundern. Das Weinfass beherbergt einen schmalen roten Tisch und zwei Sitzbänke mit vielen Kissen, zwischen denen sich Plüschtiere verstecken. Es sieht sehr gemütlich aus. Aber noch eine Spur gemütlicher ist es im Weinkeller.
Hier wärmt ein mit Holz befeuerter Kamin die Weinliebhaber, an allen Ecken und Enden befindet sich Gemaltes, Gedrucktes und Gezeichnetes und fast hätte ich vergessen, mein Weinglas zu zücken. Aber ohne einen Schluck „Nix“ (Blaufränkisch Hochäcker Jahrgang 2015, vier Monate auf der Maische, ungeschwefelt, nicht gepresst, abgeseiht, zweimal abgezogen und abgefüllt) und einem Stück Rotweinschokolade darf ich den Keller nicht verlassen. „Wein macht super. Rotwein macht noch superer“ steht auf den Sackerln im Verkostungskeller, und um einiges superer wandere ich weiter.




Weinverkostung im Weingut Weninger
Angekommen beim Weingut Weninger traue ich meinen Augen nicht. Steht da wirklich „Ceviche“ auf der Tafel? Dieses Gericht habe ich im Mai anlässlich meiner Reise nach Peru kennen und schätzen gelernt. Roher Fisch wird in Limettensaft mariniert, durch die Zitronensäure denaturiert das Eiweiß und nach 10 Minuten steht das köstliche Gericht bereit.


Nachdem ich den vorzüglichen Fisch verspeist habe, geht es mit Franz Weninger und einer Gruppe steirischer Senioren in den Weinkeller. Im Presshaus behauptet er zum Gaudium der Zuhörer: „Hier entsteht der Wein und ich bin die Hebamme.“ Ganz so abwegig ist sein Vergleich natürlich nicht, denn nur mit viel Erfahrung und Wissen erhält man aus den Tonnen von Trauben, die jedes Jahr geerntet und veredelt werden, trinkbare Tropfen. Heuer wurde nach den frostigen Wetterkapriolen jede einzelne dieser Trauben gehegt und gepflegt.
Zwischen den Maischetanks befindet sich eine Amphore. Weninger entfernt die Abdeckfolie und ein roter Trank kommt zum Vorschein. Erst auf den zweiten Blick erkennt man die zerkleinerten Trauben. Blasen steigen auf und legt man das Ohr an die Amphore, hört man es gluckern. Auch so kann ein Blaufränkischer reifen, auf die gute alte Art.


Zu Besuch im Weingut Maria Kerschbaum
Die weinseligen Steirer ziehen weiter, ich mittendrin. Der Weg führt uns zum Weingut Hans Duschanek, von wo aus ich alleine weiter ziehe. Ich lande bei Maria Kerschbaum. Mitten zwischen den farbenprächtigen Weinreben steht ein moderner quadratischer Bau, er gleicht einer riesigen Weinkiste. Nicht nur mein heutiges Sektfrühstück stammt von hier, auch der Wein zum 125.Geburtstag des Kunsthistorischen Museums Wien ist aus dem Hause Kerschbaum. Und somit ein echter blaufränkischer Burgenländer! Oder burgenländischer Blaufränkischer?

Meinen nächsten Schluck verkoste ich im Arachon Reifekeller. Arachon, so wurde Horitschon im Mittelalter genannt. Der Arachon Reifekeller hingegen ist ganz modern. 2004 wurde der Bau von den beiden Architekten Dieter Irresberger und Wilhelm Holzbauer fertig gestellt. Der Keller bietet Platz für 1000 225-Liter-Fässer, ein beeindruckendes Bild.


Zwar habe ich noch genügend Energie, trotzdem lasse ich mich mit dem Oldtimer-Traktor zurück in die Vinothek Horitschon bringen. Schließlich muss ich meine Kräfte für das morgige Weinfassl-Rollen sparen!

Was ich am Sonntag bei der Wein-Rätsel-Ralley und der Riedenwanderung gelernt habe?
Zuschauen ist lustiger als Mitmachen. Doch schon wieder greife ich vor. Dem wunderbaren Wetter geschuldet beginne ich meinen Tag auf dem Blaufränkischweg. Ich bin auf der Suche nach den sonnenverfärbten herbstlichen Weinrieden und zwänge mich irgendwo dazwischen. Zwar geht meine Orientierung verloren (keine Sorge, das passiert mir öfter), aber irgendwie gelange ich doch noch zum Kostplatz Dürrau. Ab und an sind am Blaufränkischweg Informationstafeln aufgestellt, natürlich geht es um die Rebsorte Blaufränkisch. Aber nicht nur: Wer sind die Winzer, die hier Tag für Tag in den Weingärten schuften? Was ist wann im Weingarten zu erledigen? Welche Rebsorten werden außer dem Blaufränkischen noch angebaut?



Schließlich lande ich bei der Aussichtsplattform, auch Blaufränkischblick genannt, und bewundere sowohl den Ausblick als auch die sportlichen Leistungen, die direkt am Fuße der Plattform stattfinden. Ein Mitglied der Staffel muss ein Weinfass in Formation rollen, die Weinflaschen dürfen nicht umstürzen. Der zweite Staffelläufer waltet seines Amtes und läuft ein Stück, der dritte begibt sich auf den Turm und zielt mit Weinkorken in ein Fass. Drei Mal gezielt, drei Treffer? Das schafft nur Alfred Moritz, der strenge Schiedsrichter.





Den Nachmittag verbringe ich wandernd zwischen den Rieden Hochäcker, Dürrau und Gfanger. Ich begeistere mich an den Sonnenstrahlen, besuche die Weinvogelscheuchen, verkoste hier ein Gläschen, dort ein Gulasch, und fast, aber nur fast hätte es bei der letzten Station beim Bischofskreuz Glühwein gegeben.




Weinselig sitze ich dann im Zug nach Wien und freue mich auf nächstes Jahr im Juni, denn da heißt es: Rotwein-Opening! Wir sehen uns dort, oder?
Zu dieser Reise wurde ich im Oktober 2016 vom Sonnenland Mittelburgenland eingeladen. Vielen Dank.
Vielen Dank an die Winzer, die mir meine Fragen beantwortet haben, an Franz Strass, der mich im Hotel abgeholt hat und an David Kerschbaum, der mich zum Bahnhof in Deutschkreutz gebracht hat. Es war sehr lustig bei euch!
Alle Informationen zu den kommenden Veranstaltungen zum Thema Wein gibt es hier: Horitschon und hier: Vinothek Horitschon
4 Kommentare
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GUDRUN KRINZINGER
Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.
Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.
Hallo Gudrun
So ein edles Tröpfchen geht ja immer. Sieht sehr interessant aus und man kann sich etwas durch Kosten
Liebe Grüße
Für einen Kurzurlaub samt Weinbegleitung ist man in Horitschon gut aufgehoben!
sehr schöner beitrag. im burgenland ist eben immer was los.
Das stimmt!