Hello from the other side
Plötzlich sitzen wir da, je nach Gemütslage gelähmt, staunend, aufgewühlt, phlegmatisch oder entsetzt. Eingebremst durch das Coronavirus. Unsichtbar fürs Auge, sichtbar in unser aller Leben. Es gibt neue Wörter und Begriffe, die in unseren Alltag eingezogen sind, wie zB: systemrelevant. Die besonders wichtigen Wörter sind mit Hashtags versehen, sie heißen #socialdistancing, #stayathome und #flattenthecurve.
Was tut sich in Wien?
Auch ich halte die Kurve flach und gehe spazieren. Letzten Sonntag am frühen Morgen zwischen 6 und 8 Uhr. Um diese Uhrzeit sind in Wien nur Hundebesitzer samt Hund und Fotografen unterwegs. Über den ansonsten einsamen Stephansplatz rennt ein Läufer. Er bremst vor der Außenmauer des Doms ab, bekreuzigt sich, spricht ein Gebet und läuft weiter. Zu Füßen der Pestsäule am Graben brennen Kerzen. Wien ist menschenleer.
Doch halt! Das kann nicht stimmen. Die Einwohner Wiens sind sehr wohl da, ich sehe sie nur nicht. Sie sitzen in ihren Wohnungen und halten ebenfalls die Kurve flach. Manche lehnen sich um 18 Uhr aus den Fenstern und applaudieren solidarisch. Einige verfassen Kettenbriefe um ihre Facebook-Fans zu beglücken – oder zu verärgern, so genau weiß man das noch nicht. Im 16. Bezirk ist es ein bisschen anders, dort spielt jemand Alphorn über den Dächern der Stadt. Es klingt auf jeden Fall ausbaufähig, Übung macht dem Meister. Und Zeit zum Üben, ob Alphorn, Fremdsprachen oder in Geduld, haben wir ja genug.
You never walk alone
Die restlichen Bewohner fragen sich, wie ihr Leben weiter gehen soll. Mit Homeoffice, Ausgangsbeschränkungen, Mietzahlungen, Kurzarbeit, Heimunterricht für ihre Kinder, Maskenpflicht, Arbeitslosigkeit, etc. etc. Damit sind sie nicht alleine, denn genau diese Gedanken zum Thema Coronavirus schwirren in vielen Köpfen weltweit herum.
Einige dieser Gedanken habe ich eingefangen. Denn die häufigsten Wörter, die ich in den letzten Tagen gesprochen oder geschrieben habe, waren „Wie geht es Dir?“ und „Hast Du noch Klopapier?“ Wie geht es also den Bewohnern in Irland, Italien, Schweden, Frankreich, Ukraine, Vietnam und Japan? Haben sie noch Klopapier?
Ich schicke ein „Hello!“ zu Lucia nach Irland
Lucia hat ihre Liebe zur Kunst zum Beruf gemacht. Die Niederösterreicherin – im Netz unter Die Kremserin on the go zu finden – lebt seit einiger Zeit in Irland. Sie arbeitet als Kunstvermittlerin im The Glucksman Museum in Cork. Grundsätzlich hat sie keine Sorgen, schreibt sie mir.
Ich schaue trotz Coronavirus positiv nach vorne und versuche so gut wie möglich von zu Hause zu arbeiten, innovativ zu denken und ENDLICH ein digitales Museumserlebnis zu ermöglichen (bleibt sonst immer der Wunsch der Direktoren und jetzt können wir aktiv und ungestört daran arbeiten). Seit 13.März bin ich im Homeoffice, die Uni ist geschlossen und wird bis auf weiteres geschlossen bleiben. Ich habe das Gefühl, dass sich die Menschen in Cork an ein kontaktloses Miteinander halten.
Twitter lebt in diesen Zeiten wieder auf und es wird wirklich versucht alles auf den digitalen Raum zu verschieben. Da ist meine erste Sorge: Wen vergessen wir? Wir denken an die Eventualität von Covid-19 in der Bevölkerung, aber vergessen Gewalt zuhause, Depression durch Abschottung und viele andere ebenso gesundheitliche Faktoren, die diese Krise mit sich bringt.
Seit 27.3. ist eine Ausgangssperre verhängt, die sich mit Österreich vergleichen lässt. Nachdem an einem Abend mehr als 300 Fälle hinzu kamen, hat sich Leo Varadkar dazu entschlossen die Ausgangsperre bis 12.4. zu verhängen. Leo Varadkar war Premierminister der letzten Regierung. In Irland wurde erst im Januar gewählt, und zwar so uneinig dass bis jetzt noch keine Regierung angelobt wurde. Anfangs hatten wir somit das Problem nicht zu wissen wer nun Entscheidungen treffen wird!
Für mich als Auslandsösterreicherin war es klar in Irland zu bleiben. Eine weitere Sorge ist definitiv das Gesundheitswesen in diesem Land. Bei weitem ist es nicht so gut ausgestattet wie ich es aus Österreich gewohnt bin. Bis letzter Woche musste noch für Covid-19 Tests bezahlt werden (man zahlt hier pro Arztbesuch ca 50-60€) und viele konnten es sich wohl nicht einmal leisten getestet zu werden. Spitäler werden ganz bestimmt überlastet sein. Ich hoffe, dass hier gut gemanagt wird.
Ich denke auch darüber nach wie es nach dem Coronavirus weitergeht. Mein Job ist sicher, ich arbeite an der Universität und mir wurde zugesagt, dass ich bezahlt werde über die Dauer des Virus. Das nimmt eine enorme Last von mir. Aber ich kann mir nicht vorstellen wie das Leben danach sein wird – wird sich etwas ändern am täglichen Leben? Werden wir die Wirtschaft kritischer hinterfragen? Können wir eventuell anders zusammen leben als von ständiger Profitsteigerung zu sprechen?
Mit meinen Eltern telefoniere ich, vor allem mein Vater hat mit immensen Umsatzeinbußen zu rechnen, was ihm nun Angst macht – und ich kann verstehen wieso. Seit 1998 ist sein Unternehmen stabil, mit auf und abs und zum ersten Mal hat er für Wochen keine Einkünfte. Er kann weder seine Mitarbeiter noch sich selbst bezahlen. Er ist in einem Risikoalter ohne Vorerkrankungen, aber dennoch muss er mit finanziellen Schwierigkeiten umgehen, gegen die er momentan nicht ankämpfen kann. Da mache ich mir natürlich auch Sorgen um seine Gesundheit. Auch hat er wenige soziale Kontakte, er lebt allein und kann sich mit niemandem treffen (außer online).
Obwohl ich anfangs geschrieben habe, dass ich grundsätzlich sorglos durch diese Krise gehe, schwirren doch ein paar Ungewissheiten durch den Raum die mich unsicher machen und mir Sorgen bereiten. Vom österreichischen Außenministerium bzw. der österreichischen Botschaft fühle ich mich gut informiert. Das bestätigt, dass das Registrierungssystem der Auslandsösterreicher auf jeden Fall positiv ist – ich fühle mich dem Land somit auch rechtlich zugehörig.
Ciao Francesca! Come stai?
Vor vier Jahren schipperte ich auf Einladung von Francesca auf ihrem Segelboot vor Sardiniens Küste umher. Die lebenslustige Italienerin, die Segelboote auf der ganzen Welt vermittelt, macht sich verständlicherweise Sorgen um ihr Unternehmen Yachtcharter Italien.
Wir leben in Pisa. Wir dürfen einkaufen, mit dem Hund hinaus gehen und wir dürfen uns 200 Meter vom Wohnhaus wegbewegen. Das Problem ist meine Firma. Für uns und für den Tourismus ist es ein Desaster. Es gibt zwar ein paar Verrückte, die im Moment ein Boot chartern. Sie wollen positiv in die Zukunft blicken.
Unsere Stornobedingungen haben wir geändert. Wenn jemand bucht oder buchen möchte und ist dann nicht in der Lage zu kommen, kann er gebührenfrei stornieren. Man kann auch seine Buchung kostenfrei verschieben.
So kann man Italien helfen: Einen Urlaub buchen!
Niemand weiß, wie lange die Situation mit dem Coronavirus dauern wird. Das Problem sind die überlasteten Spitäler und die vielen Toten. Wir trauern mit den Familien.
Aber wir leben isoliert und wir werden es schaffen!
Ein Hej nach Schweden!
Mit Tommie aus Schweden habe ich in Frankreich die Schulbank gedrückt. Gemeinsam besuchten wir vor vielen Jahren einen Sprachkurs in Paris. Anschließend verbrachten wir die Freizeit mit Sightseeing.
Mir geht es gut. Ich arbeite von zuhause aus und finde es ein bisschen langweilig. Aber es wird noch eine Weile so weitergehen. Ich lebe in Uppsala, die Situation ist ein bisschen anders als in Stockholm. In Stockholm gibt es mehr Fälle als hier.
Wir sind wegen dem Coronavirus nicht in Quarantäne. Wir haben keine so strengen Regeln wie im restlichen Europa. Mehrere internationale Zeitungen haben darüber schon geschrieben (HIER).
Wir dürfen ins Büro gehen, aber ich habe Halsweh, also bleibe ich zuhause und arbeite von hier aus.
In Schweden glauben wir an die Instruktionen von unseren Politikern und halten uns daran. Wir brauchen nicht so viele Regeln. Die Behörden ermahnen die Leute vorsichtig zu sein, keine älteren Leute zu besuchen und daheim zu bleiben, wenn sie sich krank fühlen. Ich glaube, die meisten halten sich daran.
Es ist schwierig, alle Menschen eine lange Zeit in Quarantäne zu schicken. Es würde die Gesellschaft zerstören. Wenn der schwedische Weg funktioniert, wäre es die bessere Lösung. Aber man weiß es nicht.
Bonjour Sophie!
Wann immer ich in meinem Blog von meiner französischen Freundin spreche, ist von Sophie die Rede. Mit Sophie habe ich ebenfalls die Schulbank gedrückt, und zwar in der Berufschule für Buchhandel. Gemeinsam arbeiteten wir lange in einer Buchhandlung im 1.Bezirk. Vor mehr als 10 Jahren kehrte sie nach Paris zurück und arbeitet in einer entzückenden Buchhandlung in Montreuil, einem Vorort von Paris.
Im Moment wohne ich bei meinem Freund. Die Wohnung ist angenehm groß, wir haben keine lauten Nachbarn und einen eigenen Garten. Ich bin arbeitslos bis 15.April. Momentan ist alles noch bequem, ich mache nicht viel: Yoga, Lesen, Putzen und Gartenarbeit. Luis hat eine eigene Firma, er ist Installateur und er arbeitet noch.
Die Franzosen dürfen 1x am Tag Lebensmittel einkaufen. Es ist erlaubt, mit dem Hund spazierenzugehen, 1 Stunde am Tag innerhalb von einem Kilometer. Wir gehen alle 3 bis 4 Tage in der Nähe einkaufen, Klopapier gibt es wieder, Reis und Nudeln auch. Es ist genug da, es gibt genug zum Essen. Letzten Samstag waren wir Blutspenden.
Ich hoffe, es dauert nicht allzu lange.
Mit Jak zpravy frage ich in der Ukraine nach
Peter kenne ich von einer gemeinsamen Blogger-Reise. Seinen Lebensmittelpunkt hat er in Lemberg, wo er Stadtführungen zu vielen spannenden Themen anbietet. Da ich Ende Mai einen Städtetrip nach Lemberg geplant habe, war Peter natürlich meine erste Anlaufstelle um einen Rundgang zu buchen. Tja, das Wiedersehen mit Peter wird wohl noch etwas dauern.
Seit rund zwei Wochen sitze ich nun bereits daheim in meiner Wohnung in Lemberg. Eigentlich hätte ich derzeit eine ganze Menge zu tun. Der Frühling hat begonnen, das ist normalerweise der Startschuss für die Touristenmassen, diese schöne Stadt in der Ukraine zu besuchen. Der Winter war zwar nicht besonders hart, aber für mich als Besitzer und Geschäftsführer eines Reiseveranstalters ist es größtenteils eine Durststrecke. Besonders im Februar, ist man mit den Einheimischen hier allein. Jetzt sollte die Saison losgehen. Doch stattdessen sind seit dem 17. März die Grenzen geschlossen. Kein Tourist kann das Land betreten, alle Flugverbindungen sind eingestellt. Es fahren nicht mal Züge nach Kyiv und Versammlungen von mehr als 10 Personen sind eingestellt. Stadtführungen und Reisen sind untersagt.
Den Sinn der Maßnahmen bezweifele ich nicht, aber traurig macht es mich trotzdem. Dieses Jahr sollte eigentlich das beste bisher für mich in der Ukraine werden. Ich bin seit 2016 hier und habe damals begonnen, eine Firma für Stadtführungen und Reisen in der Ukraine aufzubauen. Im Mai und Juni sollten jeweils große Reisegruppen aus den USA und Kanada kommen. Auch ansonsten hatten wir, vor allem für Mai, schon viele Vorbestellungen. Mittlerweile kommen viele Absagen, denn selbst im Juli ist das alles vermutlich noch nicht vorüber. Auf viele der Reisen hab ich mich persönlich schon sehr gefreut, weil einige davon bereits Stammkunden sind – mit anderen haben wir viele Mails geschrieben und uns unendlich Mühe mit der Planung gegeben. Innerhalb von zwei Wochen ist das alles zusammengebrochen.
Ich mache mir natürlich auch Sorgen um meine Mitarbeiter. Ich habe zwar nur eine festangestellte Mitarbeiterin, aber viele freie Mitarbeiter. Denen musste ich allen absagen. Einige von ihnen haben nur das Einkommen von uns und es tut mir unendlich leid, dass ich ihnen jetzt nichts bieten kann. Ich kontaktiere sie regelmäßig und schaue immer, ob ich ihnen etwas anderes vermitteln kann. Aber derzeit ist das natürlich noch schwieriger als sonst.
Das größte Problem ist, dass wir in einem Land leben, in dem es durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine sowieso schon große Not gibt. Die Oligarchen haben das Land ausgebeutet und es gibt faktisch keine Schutzschirme, wie sie jetzt daheim in Deutschland aufgelegt werden. Die Maßnahmen gegen das Virus sind auch deshalb hier radikaler als in Europa, weil das öffentliche Gesundheitssystem katastrophal unterfinanziert ist und auch ohne Coronavirus schon vor dem Kollaps steht. Wenn überhaupt muss man sich seine Gesundheitsversorgung hier selber bezahlen.
Trotzdem fühle ich mich aber ganz gut aufgehoben. Die Leute sind sehr gefasst und nehmen die Maßnahmen mit stoischer Gelassenheit hin. Klopapier oder Nudeln wurden hier nicht gehortet. Atemmasken oder Desinfektionsmittel sind aber knapp, jedoch gelegentlich noch zu bekommen. Ich glaube es läuft auch deshalb so gut, weil die Ukrainer auch in den letzten Jahren schon einige Krisen mitgemacht haben. Das Leben geht weiter und zur Not, hat man hier seinen Garten mit Gemüsebeet.
Ich wollte eigentlich am 11. März zu Besuch nach Deutschland fahren, aber bereits da war es abzusehen, dass es schwierig wird. Auch Polen hat seine Grenzen geschlossen. Auf dem Landweg komme ich nicht mal aus der Ukraine raus. Flüge gibt es keine. Sorgen mache ich mir vor allem um meine Oma. Sie ist 92 und lebt in einem Pflegeheim. Sie ist dement und bisher hat meine Mutter sie fast jeden Tag besucht. Wegen der Zugangsbeschränkungen zu Pflegeheimen ist das nun nicht mehr möglich. Bisher hat sie meine Mutter und auch mich bei meinen Besuchen immer erkannt. Wenn die Quarantäne vorbei ist, wird es dann auch noch so sein? Auch vermisst sie meine Mutter sehr und versteht natürlich nicht, warum sie nicht mehr zu Besuch kommt. Wir befürchten, dass sie eher aus Sorge und Einsamkeit sterben könnte, als durch das Virus. Wenn ich daran denke, macht mich das besonders traurig.
Ich selbst wollte dieses Jahr heiraten. Meine Partnerin und ich haben uns erst im Februar verlobt. Weil wir Freunde auf der ganzen Welt haben, sollte es ein großes Fest werden und alle sollten zu Besuch hier in unsere schöne Stadt kommen. Daraus wird jetzt nichts. Eine Hochzeit zu planen ist unmöglich und durch das weggebrochene Geschäft kann ich mir zumindest kein großes Fest leisten.
Trotz allem versuche ich aber positiv zu denken. Ich habe unser Büro geschlossen und bin umgehend ausgezogen. So spare ich die Miete dafür. Bisher habe ich noch ein minimales Finanzpolster, so dass ich meine wichtigste Mitarbeiterin behalten kann. Und wir haben sehr viel Glück mit unseren Kunden. Fast alle haben ihre vorher gemachten Buchungen auf unbestimmte Zeit verschoben und versprochen nach Ende der Corona-Krise zu Besuch zu kommen. Das ist ein schöner Lichtblick und für uns überlebenswichtig. In Facebook-Gruppen für kleine Reiseveranstalter weltweit posten viele Leute, dass sie vor der Pleite stehen. Deshalb bitte ich jeden, der das liest: Bitte sagt eure reservierten Reisen nicht ab, sondern bucht um!
Ich selbst verdiene mir Geld mit ein paar Übersetzungen und SEO-Texten für Unternehmen von Bekannten dazu und hab sogar einem Freund geholfen ein Produkt zu entwickeln. Es ist eine Geschenkbox, die lokale Produkte von Unternehmen im Ruhrgebiet beinhaltet und die wir verkaufen. Von dem Erlös haben die beteiligten Firmen ein kleines Extra-Einkommen. Immerhin habe ich jetzt Zeit ein paar lange aufgeschobene Projekte zu verwirklichen.
Und weil heute auch noch die Sonne scheint, ist das Leben schon wieder ein bisschen besser.
Ein herzliches Bạn có khỏe không nach Vietnam
Etienne lebt in Hanoi in Vietnam. Etienne ist einer von vielen Reisebloggern, die ich “nur” aus dem Netz kenne. Er studiert Vietnamesich und schreibt für Zeitungen. Wenn Reisen wieder möglich sind, dann werde ich ihn sicher in Hanoi besuchen.
Die Stimmung in Vietnam ist allgemein sehr gut, trotz der drohenden Gefahr, die über uns schwebt. Nach nun über zwei Monaten schwächelt langsam vor allem die Wirtschaft, was den Menschen deutlich mehr Sorgen bereitet als Covid-19. Kein Wunder, denn seit Ende Januar die ersten Fälle aufgetaucht waren, hat der Staat tatsächlich alles gemacht, was man sich vorstellen kann, um eine Verbreitung der Epidemie so gut es geht einzudämmen.
Derzeit (30.03.2020 um 20:46) gibt es 203 Menschen, die mit dem Virus infiziert sind oder waren. Noch ist niemand gestorben, 55 Personen sind bereits genesen. Nach den 16 ersten Fällen gab es über 22 Tage lang keine neuen Infektionen und alle waren bereits genesen. Im Vergleich zu den knapp 97 Millionen Menschen also eine erstaunlich geringe Zahl, trotz einer Landesgrenze und einer Beziehung zu China.
Erst als Patient 17, eine junge Vietnamesin die aus der EU zurückkam, in Hanoi auftauchte, gab es für einen Tag so etwas wie eine leichte Panik, während der die Leute auch ein bisschen auf Vorrat eingekauft hatten. Wir hatten uns halt schon in Sicherheit gewägt. Die Stadt hat die Chemie-Einheit des Militär geschickt, die die Strasse in der die Frau arbeitete komplett isoliert und desinfiziert hat. Diese Straße und ihre Einwohner blieben 14 Tage in Quarantäne, nur zur Sicherheit.
Die Schulen und Unis wurden nach dem Lunar New Year nicht mehr aufgemacht, mittlerweile lernen wir alle online Weil jetzt in den letzten Wochen wieder mehr Fälle zu uns „eingeflogen“ worden, hat der Staat die Sicherheitsmaßnahmen drastisch angezogen. Alles, was nicht nötig ist, ist geschlossen.
Seit Beginn Mitte/Ende Januar, war die Regierung sehr transparent mit Informationen und hat dafür gesorgt, dass jede Person weiß, was zu tun ist. Insgesamt befolgen die Leute die Maßnahmen sehr gut. Einen Mundschutz zu tragen, ist für uns hier eh normal. Die Menschen sind off- und online sehr gut informiert. Die Stadt Hanoi ist voll mit Infos, aber mittlerweile menschenleer. Dennoch, die Stimmung ist überwiegend recht ruhig. Wir wissen, was zu tun ist und die Regierung hinterlässt auch nach zwei Monaten immer noch den Eindruck, alles unter Kontrolle zu haben – deshalb gibt es hier auch keine Panik.
Die Stimmung insgesamt ist schwer zu beschreiben, ohne ein bisschen Hintergrundwissen. Ganz kurz: Ein bisschen wie im Krieg. Wir haben einen Gegner und wir halten zusammen. Alle wissen, was zu tun ist und alle machen mit. Stell dir eine große Gruppe Fußballfans vor, die gemeinsam für den Sieg ihrer Mannschaft „kämpft“ – so einheitlich sind die meisten hier.
Im Moment besteht eine Beschränkung für Treffen über 20 Personen. Restaurants dürfen nur Lieferservice machen, Bar, Kneipen, viele Hotels, Karaoke-Bars, Massage und ähnliches sind geschlossen. Wir können aber normal raus und bis vorletzten Samstag auch noch zum Friseur.
Ich bin recht entspannt damit. So langsam mache ich mir lediglich Sorgen um die finanzielle Seite. Ich muss 20% Lohnkürzung in Kauf nehmen, da die Zeitung für die ich arbeite kaum noch Werbekunden hat. Das ist allerdings ok, solange wie alle unseren Job behalten können, verstehe ich dies und freue mich eher, dass wir weiter arbeiten können.
Mein Freund arbeitet für eine Druckerei und könnte bald seinen Job verlieren, wenn der Staat weitere Beschränkungen beschließt. Das wäre doof, aber erträglich. Es ist also ganz gut auszuhalten.
Im Allgemeinen ist mein Leben zwar leicht eingeschränkt, aber ich kann mich immer noch frei bewegen und hab wenig Probleme durch die Krise. Jedenfalls bisher.
In Vietnam wird kein Klopapier gehamstert. Ich verstehe auch nicht, was die Leute in EU damit wollen. Wir benutzen aber ohnehin kaum Klopapier – wir haben dafür „Bum-Guns“, also Brausen am Klo.
Bis auf diesen einen Tag, oder besser Vormittag, nachdem die Regierung den 17.Fall bekannt gab, gab es keine Panikkäufe bei uns. Im Gegenteil, Mundschutz, Desinfektionsmittel, Lebensmittel, alles ist in in großen Mengen vorhanden und leicht zu besorgen.
Deutschland hat viel zu spät reagiert, ähnlich wie die meisten anderen Länder im Westen. Während wir hier in Vietnam mit gerade einmal 203 Fällen „herumkrebsen“, sind es im Westen Zigtausende. Da ich für die Zeitung arbeite, habe ich die Entwicklung täglich genau mitbekommen und gesehen, was viele Länder machen oder eben auch nicht. Als Deutschland und Vietnam über eine Weile beide 16 Fälle hatten, wurde in Deutschland nichts getan. Bei uns waren die Schulen bereits geschlossen, die Regierung hatte eine App veröffentlicht und die Stadt war bereits zugetackert mit Infos auf Bannern in den Straßen, in Fahrstühlen, in anderen lokalen Apps, usw.
Es war mir längst klar, dass die Situation in Deutschland deutlich schlimmer werden würde, als hier in Vietnam. In Gesprächen mit meiner besten Freundin in Deutschland hatte sie mir oft davon erzählt, wie wenig getan wurde. Nun ist es – wie ich es mir gedacht hatte – viel zu spät. Im Gegensatz zu Deutschland redet hier auch keiner von „flatten the curve“. Hier in Vietnam ging es von Anfang an nicht um „verlangsamen“, sondern um stoppen – vom ersten Fall an.
Konnichiwa zu Tessa nach Japan
Aufmerksame Blogleser kennen Tessa von Wanderweib.de aus dem Japan-Beitrag „Japan – Mein Lieblingsland“. So wie Etienne aus Vietnam kenne ich Tessa nicht persönlich. Sie lebt und arbeitet in Tokio.
Letztes Wochenende gab es in Tokio eine freiwillige Ausgangsbeschränkung. Aktuell wünschen sich alle nur noch, dass das Virus schnell vorbeizieht. In Japan ist man auf Grund der Olympischen Spiele auf der Hut gewesen und hat früh Schulen, Kitas und Sehenswürdigkeiten geschlossen. Außerdem zählen Masken oder Hände waschen auch vor dem Virus zu den täglichen Dingen, die Japaner machen. Das ist auch ein Grund (meiner Meinung nach), warum der Virus nicht so heftig ausgebrochen ist. Ein weiterer Grund: Zur Begrüßung verbeugt man sich und gibt sich auch nicht die Hand.
Klopapier ist auch in Japan aus. Es kam dazu auf Grund einer Fake-Nachricht eines Supermarkt-Mitarbeiters.
Auf meine Frage, ob sie sich Sorgen um ihren Job macht, antwortet Tessa:
Nein, der erholt sich schon wieder. Es ist nur traurig, dass ich mehrere Stunden pro Woche arbeite und zur Zeit nur 10 Euro im Monat verdiene.
Noch mehr Stimmen aus Europa hat Elke von Meerblog.de aufgeschrieben: Azzurro und Symphony No.9
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GUDRUN KRINZINGER
Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.
Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.
Liebe Gudrun! Spannend, was die vielen Freunde und Bekannten von dir zu berichten haben, die im Ausland leben. Es ist schön, dass du auch in dieser ungewöhnlichen Zeit in Kontakt mit ihnen bleibst. Hoffen wir das Beste – und machen wir das Beste daraus! Maria