Mein Grätzl – Ein Spaziergang
Die letzten Wochen, nennen wir sie Corona-Wochen, bin ich oft früh am Morgen durch mein Grätzl in Wien spaziert.
Mit Grätzl meine ich die Gassen, Strassen und Plätze in meiner Umgebung, wo ich mich oft aufhalte. Mitgemeint sind die kleinen Lokale und Geschäfte, die in diesen Wochen coronabedingt geschlossen hatten. Und trotzdem entpuppten sich meine morgendlichen Ausflüge wie kleine Abenteuer in eine mir unbekannte Welt.
So habe ich meine Nase an Schaufensterscheiben von Geschäften gedrückt, die ich nie zuvor bemerkt habe. Ich las Texte an die werte Stammkundschaft und musste darüber schmunzeln. Es gab Aufrufe zur Nachbarschaftshilfe, Informationen zur Neugründung von Onlineshops und StreetArt an allen möglichen und unmöglichen Stellen.
Und ich kam zu dem Schluss: Mein Grätzl ist lebenswert.
Mein Bezirk ≠ mein Grätzl
Ich lebe in einer Altbauwohnung im 5.Bezirk. Margareten, wie dieser Bezirk genannt wird, ist ein typischer Arbeiterbezirk. Mit der Reinprechtsdorferstraße hat der Fünfte sogar eine richtige Einkaufsstraße, wenn sich hier auch keine schicken Läden angesiedelt haben.
Mein Grätzl erstreckt sich allerdings entlang der Margaretenstraße und Schönbrunnerstraße Richtung 4. Bezirk stadteinwärts über die Kettenbrückengasse bis zur Schleifmühlgasse. Das hat sich im Laufe der Jahre einfach so ergeben.
Einkaufen in meinem Grätzl
In meinem Grätzl wohnt die ganze Welt. Das lässt sich an einer Statistik der Stadt Wien ablesen. Ich mag das.
Da muss ich nicht ins Ausland reisen, sondern kann französische, englische, türkische, italienische und sogar Spezialitäten aus Vorarlberg direkt vor meiner Türe einkaufen.
Wenn ich mir Italien ins Haus holen möchte, schaue ich im Dai Golosi vorbei. Ob Prosciutti oder Lasagne zum Mitnehmen, die Qualität ist 1A.
Nur wenige Meter weiter befindet sich das klitzekleine Grundbira. In dem Laden werden neben Lustenauer Senf, Bier und Gin natürlich auch Käse angeboten.
Und wieder nur einige Meter weiter geht das Schlemmen in französischer Manier weiter. Im Delices du midi gibt es unter anderem die herrlichen Caramels au Beurre Salé und zusätzlich natürlich auch eine große Auswahl an exzellenten Weinen.
Weiter geht es nach Großbritannien und somit sind wir schon in der Schleifmühlgasse in Bobbys Foodstore gelandet. Spezialisiert hat sich der Inhaber des Geschäfts auf den Import von Produkten aus England und so gibt es jede Menge Süßigkeiten, Chips in allen möglichen und unmöglichen Geschmacksrichtungen und selbstverständlich Tee und alkoholische Getränke. Es werden ebenfalls Spezialitäten aus Irland und den U.S.A. Angeboten.
Im Aycan Supermarkt in der Reinprechtsdorferstraße kaufe ich dann ein, wenn es schnell gehen muss. Es ist ein kleiner türkischer Supermarkt, der besonders eine gute Auswahl an Obst und Gemüse hat. Besonders angetan bin ich jedesmal von den frischen Kräutern und dem Fladenbrot.
Wo gibt es das beste Frühstück?
Gefrühstückt wird in meinem Grätzl ebenfalls. Muss es schnell gehen, bin ich beim Ströck zu finden. Diese Bäckereikette ist in ganz Wien zu finden, einige Filialen sind mit einem Café-Restaurant ausgestattet.
Ein Fixpunkt in meinem Leben wurde Gregors Konditorei in der Schönbrunnerstraße. Hier bekommt man nicht nur die besten Torten, sondern auch hervorragenden Kaffee samt Frühstück.
Das Budapest Bistro in der Pilgramgasse hat sich ebenfalls zu einem meiner Lieblingsplatzerl im Grätzl zusammen. Das hängt jetzt nicht nur mit dem super Frühstück zusammen, sondern auch mit der guten Laune des Besitzers.
In der Schleifmühlgasse kann ich euch zwei hervorragende Frühststückslocation empfehlen.
Eines der chilligsten Lokale in ganz Wien ist der Breakfast Club. Die umfangreiche Frühstückskarte lässt keine Wünsche offen, der Kaffee ist richtig, richtig gut.
Gleich daneben befindet sich die Vollpension. In der Vollpension backen Omas und Opas die besten Kuchen von Wien. Ich schwöre!
Und für das beste Frühstück und den besten Kaffee daheim kaufe ich mir die Kaffeebohnen in der Kaffeerösterei Alt Wien. Meine Lieblingssorte: Hermes Blend.
Buchhandlungen in meinem Grätzl
Bibliophil ist mein Grätzl auch. Da schlägt mein Buchhändlerherz höher.
- Metamorphose
- Buchinsel
- Buchhandlung Jeller
- Babette’s Kochbuchhandlung
Film ab!
Mit dem Filmcasino und dem Schikaneder habe ich gleich zwei Programmkinos in meiner Nähe.
Das Filmcasino ist eines der schönsten Kinos in Wien. Gezeigt werden Spielfilme und Dokumentationen aus aller Welt, alle in Originalversion mit deutschen Untertiteln.
Das Schikaneder ist nicht nur ein geniales Kino, sondern hat auch eine geniale Bar. Regelmäßig finden Festivals, Buchpräsentationen und Kinopremieren statt.
Mein Grätzl ist sehenswert!
Touristen verirren sich selten in mein Grätzl. Das hängt damit zusammen, dass sie meist zuwenig Zeit mitbringen für die kleinen und feinen Museen und Sehenswürdigkeiten, die sich abseits der Touristenpfade befinden.
Dabei gibt es durchaus spannendes zu sehen, wie zum Beispiel den ältesten Profanbau von Wien, die Heumühle. Der Bau dieser ehemaligen Wassermühle geht auf das 14.Jahrhundert zurück. Sie befindet sich versteckt in einem Innenhof zwischen Grüngasse und Heumühlgasse.
In der Kettenbrückengasse 6 befindet sich das Schubert Sterbehaus. Der Musiker verbrachte die letzten Monate seines Lebens bei seinem Bruder Ferdinand.
Mit dem Dritte Mann Museum besitzt Wien ein einzigartiges Museum. Denn es ist das einzige Museum weltweit, dass sich einem einzigen Film widmet. Wer also dieses Museum aufsucht, soll sich bitte vorher den Film „Der dritte Mann“ ansehen. Am besten im Burgkino, wo er 3x pro Woche in Originalfassung gespielt wird. Das Museum widmet sich zwar hauptsächlich dem Film, zeigt aber anhand einer großartigen Fotoausstellung das Nachkriegsleben in Wien.
Street Art im Grätzl
Ich mag bemalte Wände, noch dazu, wenn sie von Künstlern bemalt werden. Calle Libre heißt das Street Art-Festival in Wien, deren Veranstalter Jahr für Jahr Street Art-Künstlern die Möglichkeit gibt, Hausmauern zu verschönern.
Hier sind zwei meiner Lieblinge:
Mit diesem Beitrag nehme ich an der Blogparade „Urlaub zu Hause – So schön ist meine Heimat“ von Tanja teil.
11 Kommentare
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GUDRUN KRINZINGER
Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.
Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.
Super gemacht, Gudrun! Eigentlich waren wir Nachbarinnen! 🙂
Echt!? Wo wohnst Du?
Den Begriff Grätzel musste ich nu erst mal googeln. Du wohnst in einem wirklich tollen Bezirk von Wien. Die Vielfalt an Geschäften und Restaurants gefällt mir sehr. Sollte ich mal nach Wien kommen, sobald der Coronawahnsinn vorbei ist, dann muss ich unbedingt ausprobieren, ob die Kuchen der Vollpension echt so gut sind, wie du behauptest!
Ja, komme nach Wien und ich zeige Dir auch alles andere…
Oh wie schön. Da bekomm ich direkt Heimweh nach Wien. Mich hats in den letzten Jahren in den 14., 8. und 17. gezogen. Ich hoffe, bald wieder zu kommen^^
Liebe Grüße aus Berlin nach Wien,
Melli
Hallo Gudrun,
ich würde direkt in deinem Viertel einziehen bei der kulinarischen Vielfalt. Wenn ich dann Fernweh habe, kann ich mich essenstechnisch in fremde Länder beamen. Wien ist eine wunderschöne Stadt, die man in einer einzigen Woche nicht erfassen kann. Deshalb müssen wir wieder kommen.
Meine Heimatstadt hat einen kleinen Bezug zu Wien. Bei uns wurde Michael Thonet geboren, der dann in Wien mit seinen Bugholzmöbeln bwz. dem Wiener Kaffeehausstuhl berühmt wurde.
Viele Grüße
Renate
Ich hoffe Du kommst bald nach Wien. Zwei Wiener Kaffeehausstühle habe ich auch zuhause, aber natürlich nicht das Original…
Hach, wir leben schon in einer coolen Gegend! Ich mache es wie du und spaziere gerne kreuz und quer durch Margareten und Umgebung. Man entdeckt einfach immer wieder etwas Neues. Und ein doppelter Espresso im Budapest Bistro muss immer sein. 😉
Ja, und die Besitzer sind so nett.
Da kann ich als geborene „Wienerwälderin“ nur sagen: „Was hält mich noch hier? Ab in die weite Welt! Ab in den 5. Bezirk!“ … alleine schon der Karamellen wegen ;-). Alles Liebe! Regina
Haha, genau, wegen der französischen Karamellen wegen lohnt sich ein Besuch im 5…. Aber der Wienerwald ist auch ganz schön!