Die schönsten Wiener Innenhöfe
Der Innenhof meines Mietzinshauses wird sich leider nicht wiederfinden in diesem Artikel über die schönsten Wiener Innenhöfe. Kein Baum, kein Strauch, kein Blumenbeet ziert das viereckige Betonpflaster. Als einziger Farbklecks fallen die grünen Mülltonnen vor der abgeschlagenen Mauer ins Auge, von Zierde möchte ich allerdings nicht sprechen.
Die Pawlatschen – Eine Besonderheit unter den Wiener Innenhöfen
Da lobe ich mir die wunderschönen Pawlatschenhäuser. Das Wort „Pawlatsche“ leitet sich vom tschechischen „pavlač“ ab. Es bedeutet Balkon oder Galerie. In Wien sind damit die schmalen, offenen Holzbalkone gemeint, die die einzelnen Wohnungen im Innenhof miteinander verbinden.
Sehnsüchtig blicke ich entlang der Efeuranken in die Höhe. Eine Wohnung in einem dieser begrünten Höfe, das wäre wunderbar.
Die Bewohner, die hier in früheren Zeiten lebten, würden mich wegen meiner Wohnungswahl wohl auslachen. Das Leben in einem Wiener Innenhof war damals alles andere als idyllisch. Die Menschen lebten auf engem Raum. Alleine in Schuberts Geburtshaus am Alsergrund wohnten im 18.Jahrhundert um die 70 Personen, aufgeteilt in 16 Wohnungen.
Aus dem Hausbrunnen wurde das Wasser geschöpft, auf den Balkonen die Wäsche getrocknet. Die Enge und der Lärm führten oftmals zu lautstarken Auseinandersetzungen.
Durchs Haus ins Wiener Durchhaus
Ich nehme mal an, dass auch in den Durchhäusern ordentlich gestritten wurde. Ein besonders schönes Exemplar eines Durchhauses ist der Raimundhof in Mariahilf.
Benannt wurde der Hof nach Ferdinand Raimund. Der Dramatiker und Schauspieler wurde in einer der Wohnungen in diesem Gebäude geboren.
Von der Windmühlgasse kommend, steige ich Stufe um Stufe empor. Die Treppen münden mal in einen kleinen, mal in einen größeren Hof. Kleine Lokale wechseln sich ab mit Geschäften und schon stehe ich oben auf der belebten Mariahilferstraße und meine, einen Berg bezwungen zu haben.
Genau genommen sind die Durchhäuser Abkürzungen. Der Weg von der Windmühlgasse zur Mariahilferstraße wäre über die Barnabitengasse oder Capistranigasse bei weitem länger und mit mehr Zeitaufwand zu bewältigen gewesen.
Im 6.Bezirk gibt es übrigens ein noch viel längeres Durchhaus. Doch die Schulhofpassage, die sich zwischen der Mariahilferstraße 101 und der Schmalzhofgasse 14 befindet, wird derzeit saniert. Somit heißt es hier: Kein Durchkommen im Durchhaus!
Die schönsten Wiener Innenhöfe im ersten Bezirk
Die schönsten Wiener Innenhöfe befinden sich meiner Meinung nach in der Inneren Stadt.
Durch die Herrengasse zum Michaelerplatz
Beginne ich meinen Spaziergang am Schottentor und flaniere durch die Herrengasse zum Michaelerplatz, habe ich die Qual die Wahl. Zu meiner linken liegt das Schottenstift, zu meiner rechten der Melkerhof. Beide Gebäudekomplexe verfügen über sehenswerte Innenhöfe.
Das Palais Daun-Kinksy ein paar Schritte weiter verfügt nicht nur über einen Innenhof, sondern auch über eine wunderschöne hochbarocke Fassade. Erbaut wurde das Palais vom Hochmeister des Barock, Johann Lucas von Hildebrandt.
Weiter führt mein Spaziergang zum schönsten Durchhaus Wiens. Ich lande in der Passage des Palais Ferstel. Die Eleganz dieses Durchgangs erinnert mich an die zahlreichen Pariser Passagen und als Hommage an die französische Hauptstadt lege ich im Beaulieu, dem wunderbaren französischen Lokal, eine Pause ein. Gestärkt marschiere ich weiter und knipse noch schnell ein Foto vom Innenhof des benachbarten Palais Harrach.
Schließlich stehe ich am Michaelerplatz. Ich beäuge die Hofburg. Hinter und zwischen ihren Mauern verbergen sich ebenfalls 19 Höfe. Nicht alle sind öffentlich zugängig.
Zwischen den Auslagen eines Trachtengeschäfts husche ich in den Michaeler Durchgang. Von dort ist es nicht mehr weit bis zum Nestroy Geburtshaus in der Bräunerstraße 3. Dieser Innenhof ist sicherlich einer der schönsten und elegantesten in Wien.
Generalihof – Kurrentgasse – Schulhof
Eine Hausnummer weiter, auf Bräunerstraße 1, betrete ich den Generalihof. Er führt mich zum Graben. Und vom Graben wiederum gibt es Durchhäuser zur Goldschmiedgasse. Ich mäandere durch die Gassen und lande in der Kleeblattgasse. Diese hufeisenförmige Gasse wartet ebenfalls mit einem Durchgang auf. Er bringt mich zur Kurrentgassse. Schön ist er nicht, aber praktikabel. Von der Kurrentgasse gehe ich zum Schulhof.
Irgendwer hat mir erzählt, dass in einem dieser Gebäude eine jüdische Schule untergebracht war und dass sich daher der Name Schulhof ableitet. Bestätigt finde ich diese Aussage allerdings nirgends.
Früher oder später landet man in Wien übrigens beim Stephansdom. Die Gassen hinter dem Dom sind ein wahres Innenhof-Labyrinth.
Woher stammt der Name Schmeckender-Wurm-Hof?
Doch bevor ich mich darin verliere, marschiere ich am Dom-Museum vorbei durch den Zwettlhof zum Schmeckender-Wurm-Hof. Der Zwettlhof wurde nach dem Stift Zwettl benannt, doch welcher Wurm gab der schmalen Gasse zwischen Wollzeile und Bäckerstraße den Namen?
Angeblich hauste vor vielen, vielen Jahren im Keller des Durchhauses ein Lindwurm. Besagter Wurm schied geruchlich nicht ganz einwandfreie Ausdünstungen aus und da im 17. Jahrhundert kein Unterschied zwischen den Worten riechen und schmecken gemacht wurde, entstand der Name Schmeckender-Wurm-Hof. Heutzutage riecht es in der Gasse ganz leicht nach Wiener Schnitzel. Ob und wie die schmecken muss ich den Personen in der Warteschlange überlassen, denn ich spaziere weiter und lande im Heiligenkreuzerhof.
Im Heiligenkreuzerhof könnte man im Sommer eine Pool aufstellen und im Winter einen Platz zum Eisstockschießen schaffen, so groß ist der Hof. Doch da in Wien ein Mangel an Parkplätzen herrscht – Vorsicht, Ironie! -, wird dieser schöne Hof als Autoabstellplatz genutzt oder eben verschandelt.
Mozart war auch schon da
Über die Schönlaterngasse und Windhaaggasse gelange ich wieder zur Bäckerstraße. Ich tauche in der Hausnummer 5 ein und in der Wollzeile 9 wieder auf. Zweimal gehe ich um die Ecke und stehe vor Mozarts Wohnhaus. Und nur ein paar Schritte trennen mich nun vom Nonplusultra aller Wiener Innenhöfe, dem Fähnrichhof.
Diesen versteckten Innenhof erreicht man entweder über den ebenfalls sehenswerten Pawlatschenhof in der Blutgasse 3, über die Verlängerung der Nikolaigasse oder über die Singerstraße 9. Die Platane im Fähnrichhof ist übrigens mehr als 250 Jahre alt und gehört zu den Wiener Naturdenkmälern.
Ein paar Meter von der denkwürdigen Platane befindet sich das Deutschordenshaus. Und genau dort soll ein denkwürdiger Arschtritt vorgefallen sein, und zwar der des Grafen Arco. Getreten wurde W.A.Mozart, den dieser Tritt von der sicheren Anstellung in die Selbstständigkeit beförderte. Geschadet hat ihm das ja nicht.
Im Franziskanerviertel
Unweit vom Deutschordenshaus, in der Singerstraße 16, befindet sich ein weiteres Innenstadt-Innenhof-Schmuckstück. Der Pawlatschenhof gehört zum barocken Palais Neupauer-Breuner.
Meinen Spaziergang durch den ersten Bezirk beende ich in der Weihburggasse 16. Neben der Buchhandlung Aichinger, Bernhard und Comp. schreite ich durch das Tor und stehe vor der Vermischten Warenhandlung. Heute hat das liebenswerte Geschäft schon geschlossen und so bewundere ich den schönen Wiener Innenhof im Franziskanerviertel.
Innenhöfe und Durchhäuser in Wieden, Margareten und Mariahilf
Mein Augenmerk habe ich auf die Innenhöfe des 1.Bezirks gelegt. Doch bei Spaziergängen und Museumsbesuchen entdecke ich auch immer wieder offene Hauseingänge, die mich magisch anziehen. Selbstverständlich verhalte ich mich angemessen, ich würde niemals Privatgrundstücke betreten.
Das Schubert Sterbehaus in der Kettenbrückengasse hat einen kleinen, feinen Innenhof mit Hausbrunnen. Stadtauswärts und in meinem Grätzl gelegen befindet sich das Schlossquadrat. Dieses Areal hat eine interessante Geschichte, die einen eigenen Blogbeitrag wert wäre. Fast vis-a-vis steht der Margaretenhof.
Im sechsten Bezirk befindet sich der bereits erwähnte Raimundhof, benannt nach Ferdinand Raimund. Eine weitere berühmte Persönlichkeit wohnte ebenfalls in Mariahilf. Es handelt sich um Joseph Haydn. Der Innenhof des Hauses, das heute als Museum zugänglich ist, ist ebenfalls wunderschön begrünt.
Wo verstecken sich die Höfe des 7.Bezirks?
Ein besonders lauschiges Plätzchen im Siebten ist das Amerlinghaus. Ein paar Straßenzüge weiter und man landet im Adlerhof. Dieses Durchhaus verbindet die Siebensterngasse mit der Burggasse.
Von hier aus ist es auch nicht mehr weit zur Neustiftgasse 16, wo praktischerweise der Name des Restaurants auf seine Besonderheit hinweist. Das Lokal heißt Durchhaus und liegt in einem Durchhaus. Die Weinranken über dem Gastgarten sorgen für einzigartiges Flair und wohltuende Abkühlung.
Ich hoffe, meine Spaziergänge haben euch gefallen. Wenn ihr weitere Wiener Innenhöfe und Durchhäuser entdeckt, freue ich mich über eure Entdeckungen in den Kommentaren.
8 Kommentare
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GUDRUN KRINZINGER
Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.
Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.
Hallo Frau Krinzinger,
wunderschön, könnte man sich verlieben in diese Höfe. Sich mit einer guten Lektüre in eine Ecke setzen, ein Glasel dazu und genießen.
Gibt’s auch ein kleines Hotel zur Übernachtung in solch einem Ambiente?
Schönes Wochenende ,bleiben Sie gesund
LG Undine Wöppel
Liebe Frau Wöppel, dieses Hotel hat einen wunderschönen Innenhof: http://brillantengrund.com/ Bleiben Sie ebenfalls gesund!
Es war ein wunderschöner Ausflug durchdie Durchgänge und Innenhöfe in Wien. Ich habe es sehr genossen. In Wien geboren, in der Schweiz aufgewachsen und jetzt lebe ich seit bald 30 Jahren in Spanien. Leider bin ich gebehindert und bedaure es sehr, dass ich Wien nicht mehr besuchen kann. Danke für diese schönen Bilder.
Liebe Gudrun,
was für ein tolles Thema! Ich liebe Innen- bzw. Hinterhöfe und habe zudem Wien ins Herz geschlossen. Ich muss unbedingt bald noch einmal hin. Dann werde ich ein besonderes Augenmerk auf die Innenhöfe legen, denn wie du anschaulich gezeigt hast, hat Wien ja einiges zu bieten.
Liebe Grüße,
Tanja
Eine super Übersicht zu den vielfältigen Geheimnissen zwischen den Wiener Häusern! Den Artikel werde ich weiterempfehlen, wenn Freunde nach Wien kommen. 🙂 Währinger Straße#Hans Sachs Gasse ist auch ein netter Durchgang, wenn auch nicht so schön wie die hier gezeigten!
Liebe Grüße
Christian
Hallo Gudrun,
vielen Dank für die wunderschönen Tips in Wien. Seit 3 Jahren erkunden wir diese tolle Stadt abseits der Touristenpfade. Einige dieser Durchgänge haben wir in letzten Jahr entdeckt. Außerdem waren wir sehr angetan vom Spitzelberg. Ein guter Tip ist der Besuch der Schneekugelmanufaktur. Die Heumühle steht dieses Jahr auf dem Plan. Wir freuen uns sehr, wenn wir Ende März wieder Wien erkunden können. Einige deiner Tipps habe ich in unser Programm bereits aufgenommen.
Liebe Grüße
Margit
Es freut mich, dass euch Wien so gut gefällt!
Es ist das heimelige, das einen bei diesen Höfen so angenehm stimmt. Beschützt und doch nicht beengt. Vielen Dank für diese wunderbaren Bilder, die Erinnerungen wecken!