Giverny – Zu Besuch bei Claude Monet
Jean-Pierre nimmt an einem weißen Tisch in einem Gastgarten in Giverny Platz. Nur wenige Minuten später steht ein Glas Bier vor dem Stammgast, der prüfend seinen Blick über die Gästeschaar gleiten lässt. Hund Rocco schlabbert etwas Wasser aus einem Trinknapf und legt sich anschließend seinem Herrn zu Füßen, zumindest versucht er es. Der Platz unter dem Tischchen ist zu klein. Immer wieder sucht Rocco eine bequeme Liegeposition und landet kurzerhand unter meinem Tisch. Ein Arrangement mit dem sich alle Beteiligten anfreunden können.

Giverny und Claude Monet
Jean-Pierre lebt in Giverny, einem kleinen Dorf in der Nähe von Paris in Frankreich. Der berühmteste Bewohner Givernys ist allerdings Claude Monet, der 1883 zur Miete in ein Haus am Dorfrand zieht.
1890 erwirbt er das Anwesen und kümmert sich um die Umgestaltung des Gartens. Drei Jahre später kauft Claude Monet ein Nachbargrundstück. Er veranlasst die Umleitung des Flusses Epte und lässt ein Becken ausheben. Ein Seerosenteich entsteht. Ein Seerosenteich, der Jahr für Jahr tausende Touristen aus aller Welt nach Giverny lockt.

Claude Monet im Belvedere
„Too much tourists“, knurrt mir Jean-Pierre entgegen, als ich ihn frage, wie er das Leben in Giverny empfindet. Meine in holprigem Französisch gestellten Fragen beantwortet er konsequent in ebenso holprigem Englisch. Er möchte wissen, wo ich wohne und seine Augen beginnen zu leuchten, als ich Wien als meinen Lebensort angebe. Im Belvedere habe er vor Jahren eine Kunstausstellung besucht, erzählt mir Jean-Pierre und malträtiert sein Gedächtnis nach dem Künstler.
Ich selbst war 1996 im Oberen Belvedere zu Gast und besuchte die legendäre Monet Ausstellung. Damals gelang es den Kuratoren die berühmten Seerosenbilder zu zeigen, die Scharen von Besuchern anzog. In der Sammlung des Belvedere befinden sich heute drei Bilder von Monet, eines davon zeigt die Allee zu Monets Haus. Und auch wenn ich mich nicht zu den größten Bewunderern des Künstlers zähle, den Garten in Giverny wollte ich immer schon besuchen.

Giverny, ein kleines Dorf in der Nähe von Paris
Früh am Morgen komme ich in Giverny an. Ich höre einen Hahn krähen. Noch hat keines der Restaurants oder Cafés geöffnet und die einzigen Menschen, die ich entdecke, sind zwei Gärtner, die mit Unkraut vollgeladene Schubkarren durch die Rue Monet schieben.
Erst knapp vor der Öffnungszeit bildet sich eine Menschenschlange vor dem Eintrittstor, das sich in Ruelle Leroy befindet. „Haben Sie ein Ticket?“ lautet die meistgestellte Frage der anwesenden Wartenden. Von zweistündigen Wartezeiten wird berichtet und ich bin froh, mir am Vorabend problemlos ein Online-Ticket mit Zeitfenster gebucht zu haben.
Hinter dem Tor sind Stimmen zu hören, ein Schlüssel dreht sich im Schloss. Aufgeregt und nervös treten wir durch die Tür, erwartungsvoll wie kleine Kinder vor der Weihnachtsbescherung. Nur das unsere Bescherung aus einem Blütenmeer und den weltberühmten Seerosen besteht.

Der Wassergarten in Giverny
Der gestrenge Ticketkontrolleur schickt mich und alle anderen Besucher zuerst Richtung Wassergarten. Um diesen zu erreichen, steigt man einige Stufen hinab und spaziert einen kurzen Weg durch eine Unterführung.
Ansteigend führt ein schmaler Weg weiter, vorbei an einem Bambuswald, vorbei an einer Blutbuche und schon stehen die ersten Besucher auf der japanischen Brück mit Blick über den Seerosenteich. Jenen Teich, den Claude Monet in über 250 Gemälden verewigt hat. Sie hängen in den berühmtesten Museen der Welt.
Insgesamt umrunde ich dreimal die Wasserfläche und knipse Bild um Bild, bevor ich mich in den Blumengarten begebe.






Clos Normand – Der Blumengarten von Monet
Der Blumengarten war Monets erstes Gartenprojekt. Der blumenbegeisterte Maler lässt schattenmachende Bäume fällen und gräbt den Obstgarten um. Er legt Spalierbögen und Rankengitter an und pflanzt Rosen, Lilien, Dahlien, Narzissen, Nelken, Orchideen und Tulpen. Inspiration holt sich der Impressionist bei seinen Auslandsreisen, unter anderem besucht er den Hyde Park in London und Gärten an der ligurischen Küste. Zusätzlich abonniert Monet englische Gartenzeitschriften.
Mit ihm kümmern sich ein Gärtner und Gartengehilfen um den etwa ein Hektar großen Garten, der einerseits streng geometrisch angelegt ist, andererseits durch das Verschmelzen der farbenprächtigen Büsche und Blüten wie eine Farbpalette wirkt.
Ganz egal, wo ich stehe und in welche Richtung ich blicke, der Garten bietet immer neue Farbkompositionen. Ich bin besonders von den unterschiedlich gefärbten Mohnblumen angetan, die Hummeln ebenfalls. Sie saugen gierig den Nektar.
Wie ein Fels in der Brandung wirkt das Haus mit den grüngestrichenen Fenstern und Türen.




Das Haus von Claude Monet
Den ersten Raum, den wir Besucher betreten dürfen, ist der Salon. Früher diente der Raum mit großem Fenster als Atelier, doch 1899 gestaltete Monet das Zimmer zum Wohnzimmer um. Die Wände sind mit Bildern des Künstlers geschmückt, natürlich sind es heutzutage Kopien.
Weiter geht es durch das Gewürzzimmer über eine schmale Treppe ins Obergeschoß, wo sich das Schlafzimmer des Malers befindet. Diesen Raum dekorierte Monet mit Bildern seiner Malerfreunde Cezanne, Renoir, Signac und Boudin. Es ist sozusagen sein persönliches Museum.
Die Besichtigung führt durch den Waschraum des Künstlers – welch ein Ausblick auf den Garten!- , dann durch den Waschraum seiner Frau Alice. Es folgt das Schlafzimmer von Alice und das Zimmer von Blanche, seiner Stief- und zugleich Schwiegertochter. Blanche erbte das Anwesen nach Monets Tod im Jahre 1926.
Im Erdgeschoß sind der Blaue Salon, das Esszimmer und die Küche zu besichtigen. Monet zeigte sich nicht nur für die Gestaltung des Gartens verantwortlich, er bemalte eigenhändig die Wände des Blauen Salons und des Esszimmer. Der Sammler von japanischen Holzschnitten wählte diese beiden Zimmer um seine einzigartige und teure Kollektion auszustellen. Der Kontrast der feinen Holzschnitte zum auffälligen Blau und Sonnengelb der beiden Zimmer könnte nicht größer sein.
Ob der Maler jemals selbst am Herd in seiner Küche gestanden ist, ist leider nicht überliefert, gilt jedoch als unwahrscheinlich. Immerhin kennt man seine Lieblingsspeisen: Spargel, Entenbraten, Rebhühner und Salat.





Au revoir, Giverny
Und einen Salat bestelle ich auch im Café in der Rue Claude Monet, wo ich auf Jean-Pierre treffe. „Au revoir“, ruft er mir nach, nachdem ich bezahlt habe. Er zündet sich eine Zigarette an und blickt zufrieden zu seinem Hund.
Noch ist mein Tagesausflug in Giverny nicht beendet. Ich spaziere entlang der Rue Monet Richtung Kirche.
Ein modernes Gebäude fällt mir ins Auge. Es beherbergt ein Museum des Impressionismus. Ein paar Schritte weiter befindet sich das Ancien Hotel Baudy. In diesem wunderschön renovierten Gebäude stiegen Monets Künstlerfreunde aus Amerika und Paris ab. Am heutigen sonnigen Tag ist der Gastgarten gefüllt mit Besuchern aus aller Welt.

Am Friedhof bin ich allerdings ganz alleine. Ein Schild weist mir den Weg. Ein einfaches weißes Kreuz, ein von Blumen überwuchertes Grab, am Rand eine kleine Tafel mit der gravierten Inschrift:
ici repose notre bien aimé Claude Monet
né le 14 novembre 1840
décédé le 5 décembre 1926
regretté de tous

Allgemeine Informationen zu Giverny
- Die Tickets für Giverny kauft man am besten online direkt bei der Fondation Claude Monet: hier kaufen
- Ein riesiger Parkplatz befindet sich in Gehweite – ca. 10 Minuten – vom Museum entfernt. Der Parkplatz ist kostenlos.
- Ein Stellplatz für Wohnmobile ist ebenfalls vorhanden.
- Öffentliche Anreise ab Paris: Mit dem Zug ab dem Bahnhof Saint-Lazare nach Vernon. Von dort mit dem Shuttlebus nach Giverny.
8 Kommentare
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GUDRUN KRINZINGER
Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.
Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.
Ein wunderbarer Bericht über den Besuch bei Claude Monet in Giverny.
Ich hatte meinen geheimen Wunsch schon fast vergessen. Doch wurde dieser Traum nun zu neuem Leben erweckt.
Welch glückliche Fügung. Danke. Ich bin begeistert. Auch über die Fotos mit Bambuswald!
Grüße nach Wien
Liebe Gudrun, du hast es perfekt eingefangen und mir viel Lust gemacht, den Ausflug endlich mal zu realisieren. Ich hoffe, es passt noch diesen Sommer rein. Schön, dass du deinen Bericht nicht nur auf den Garten bezogen hast. LG Christiane von der-2te-blick.de
Wundervoll! ganz herzlichen Dank für diesen Bericht und die traumhaft schönen Fotos.
Vielleicht schaffe ich es dieses Jahr den Garten endlich zu besuchen.
Liebe Grüße
Claudia
Ja, fahr hin!
Liebe Gudrun,
ach was ist das alles schön! Den Garten würde ich mir zu gerne anschauen. Zum Glück gibt es auch eine Bahn- /Busverbindung. Ich fahre in Frankreich nicht so gerne Auto.
Liebe Grüße
Renate
Ich fand den Garten so schön und würde jederzeit wieder hinfahren. Und ich finde, die Franzosen fahren ganz manierlich Auto…
Als Frankreich- und Gartenfan werden wir uns dieses Kleinod wohl unbedingt auf der nächsten Reise 7n diese Richtung anschauen „müssen „. Danke für die schönen Bilder und Berichte. Danke Viola
sehr schöne Sehenswürdigkeiten super!