Entlang der Memel von Kaunas bis ins Memeldelta

Von Kaunas geht es mit dem Wohnmobil entlang der Memel Richtung Westen. Das erste Mal auf dieser Reise durch das Baltikum ziehe ich den Reiseführer zu Rate und lese über den Fluss und dessen Geschichte nach. Es fallen Begriffe wie Deutschlandlied, Ordensburgen, wichtiger Grenzfluss, Kreuzritter, Nemunas, Schlösser und Fährverbindungen und was weiß ich noch alles. Was für mich also nur eine wunderschöne Landschaft ist, war früher ein heftig umkämpftes Gebiet?

Die Memel in Litauen
Die Memel – Ein Fluss mit vielen Namen

Viel zu wenig weiß ich über die Geschichte dieses Landstriches. Ich versinke mittels E-Book in ein Buch über die Geschichte Ostpreussens, wo die Memel allerdings nur eine unbedeutende Nebenrolle spielt. Meine Leseliste wird immer länger.

Doch da ich jetzt an den Ufern der Memel stehe, bleibt keine Zeit für ausgiebige Recherchen. Die Landschaft genießen, Fotos machen, am Ufer spazieren gehen, nach Russland winken und möglichst jeder Gelse ausweichen, lautet mein Motto.

Wohnmobil am Fluss Memel in Litauen
Mit dem Wohnmobil entlang der Memel in Litauen

Die Memel und ihre Namen

937 Kilometer ist die Memel lang. Sie entspringt in Belarus (Weißrussland) und schlängelt sich durch Litauen ins Kurische Haff und weiter in die Ostsee. Der Name Memel ist übrigens in Litauen nicht gebräuchlich. Hier heißt der Fluss Nemunas, während der Strom im weißrussischen den Namen Njoman (Нёман) und im russischen den Namen Neman (Неман) trägt.

Kurzer Stopp in Vilkija

Ein Fluss, der sich kilometerlang durch Wiesen, Felder und Wälder schlängelt, beherbergt an seinen Ufern unzählige Städte und Dörfer. Aber an welchen Ortschaften soll man Halt machen? Wo versäumt man etwas? Und wo nicht?

Wir haben keinen fixen Ziele entlang der Memel eingeplant, außer die Schlösser, die wollen wir unbedingt sehen. Und schon rufe ich Stopp, denn beim Durchqueren eines kleinen Dorfes entdecke ich StreetArt an den Wänden eines verlassenen Hauses.

Wir sind in Vilkija gelandet. Ich blicke vom Ufer aus auf den Fluss, der sich leise und träge durch die Landschaft bewegt. Eine hölzerne geschnitzte Stele erinnert an die Synagoge, die an dieser Stelle am Ufer der Nemunas stand. 80% der Einwohner Vilkijas waren jüdischen Glaubens, bis der Holocaust über Litauen hinwegfegte.

Ich laufe zum Haus mit dem Mural am Tor und entdecke zu meiner Freude um die Ecke noch ein Gemälde an der Hausmauer. Beide Gemälde haben wir dem Künstler Tadas Šimkus zu verdanken.

Stele aus Holz an der Memel
In Gedenken an die jüdische Community von Vilkija
The pigeon feeder - Mural an einem alten Haus an der Memel
The pigeon feeder – ein Mural an einem alten Haus an der Memel in Vilkija
Zwei Personen umarmen sich
Streetart in Vilkija

Schon steigen wir in unser Wohnmobil ein. Es zieht uns weiter zu den Schlössern.

Die Schlösser an der Memel

Die idyllische Landschaft inspirierte doch so einige adelige Herrschaften, sich an den Ufern der Memel niederzulassen. So entstanden Schlösser und Burgen, viele verfielen und einige wenige blieben bestehen.

Zwei Schlösser sind besonders sehenswert, denn von ihren Türmen aus hat man eine fantastische Sicht auf den Fluss und die Umgebung.

Schloss Raudonė an der Memel

Das Schloss Raudonė mit den roten Backsteinziegeln wirkt auf den ersten Blick nicht wirklich einladend auf mich. Doch hinter dem Holzportal verbirgt sich eine freundliche Dame, die Tickets für die Turmbesteigung verkauft. Wir sind nicht die einzigen, die die Treppen zum Turm hinaufsteigen. Auf dem Weg dorthin gibt es einige wenige schwarz-weiß-Fotos an den Wänden, die das Schloss in verschiedenen Zeitepochen zeigt.

Der Blick von oben ist wirklich schön, doch noch eindrucksvoller ist ein Spaziergang im Schlosspark mit diesen riesigen Bäumen, die uns noch im ganzen Baltikum begeistern werden.

Schloss Raudone
Schloss Raudone wirkt auf den ersten Blick wie eine Trutzburg auf mich
das Schloss Raudone von vorne
Das Schloss Raudone von einer anderen Perspektive fotografiert
Ausblick vom Schloss auf das Dach
Der Ausblick vom Schlossturm auf die Umgebung. Die Memel liegt in der anderen Richtung

Schloss Panemunė

Im Gegensatz zur Trutzburg Raudone präsentiert sich Schloss Panemunė in weitaus freundlicheren Farben. Das Schloss wird dem Kunststil der Renaissance zugerechnet, hat jedoch viele Umbauten miterlebt. Im Laufe der unzähligen und nutzlosen Kriege und der Landreform wurde Panemunė komplett zerstört. Seit dem Jahre 1958 bemüht man sich um umfangreiche Renovierungen. Und so steht das Schloss heute wieder prunkvoll da und kann besichtigt werden.

Schloss Panemune an der Memel
Das Schloss von außen
Schlosshof
Der Schlosshof von Panemune

Ein sehr liebevoll gemachter Film – ein Kind spielt die Hauptfigur – erklärt uns über die Besonderheiten des Schlosses auf, bevor wir uns in die Säle und Kammern aufmachen. Zusätzlich gibt es eine Küche, ein Gefängnis, archäologische Fundstücke und den riesigen Park mit Kunstwerken zu besichtigen. Und auf den Turm müssen wir auch noch!

Kostüme aus vergangenen Zeiten
Ausstellung in den Innenräumen des Schlosses
Küche im Schloss Panemune mit zwei Öfen
Die Schlossküche
Skulptur im Schlosspark
Im Schlosspark gibt es einige Kunstobjekte zu besichtigen
Schlossturm von oben
Aus dem Dachfenster fotografiert
Die Dachfläche von Schloss Panemune an der Memel
Die Dachfläche von Schloss Panemune

Mit vielen Eindrücken geht der Tag zur Neige und wir beschließen unsere Fahrt mit dem Wohnmobil an der Memel am nächsten Tag fortzusetzen.

Zwischenstopps an der Memel

Am nächsten Morgen erhaschen wir in Smalininkai einen Blick nach Russland, die Memel bildet die Grenze zu Kaliningrad. Großformatige Bilder an den Wänden der Häuser in dem kleinen Dorf zeugen von erfolgreicheren Zeiten und vergangener Geschichte.

Die Memel im Dorf Smalininkai
Und die Memel lässt sich nicht beirren und fließt Richtung Ostsee

Wir legen einen Stopp bei der Hexenfichte (Raganų eglė) ein. Diesem Baum werden Zauberkräfte zugeschrieben, und das alleine wegen des einzigartigen Aussehens. Das Alter der Fichte wird auf 170 Jahre geschätzt, aber wie alt die Informationstafel zu Beginn des kurzen Wanderweges ist, kann ich nicht genau sagen. Vielleicht ist dieser reich verästelte Baum mittlerweile bereits 180 Jahren alt? Oder 200 Jahre?

Die Hexenfichte in Litauen, ein reich an Ästen verzweigter Baum
Habt ihr schon mal so einen Baum gesehen?

Weniger alt ist der Aussichtsturm, den wir als nächstes ansteuern und der uns eine grandiose Aussicht auf die nähere Umgebung liefert.

Aussichtsturm an der Memel
Blick auf die Memel und nach Kaliningrad

Das Dorf Bitėnai

Im Dorf Bitėnai lebte und arbeitete der Schriftsteller und Drucker Martynus Jankus. In seinem Haus, in dem heute ein Museum untergebracht ist, verbarg Jankus eine Druckerpresse und verlegte litauische Schriften. Diese wurden in Zeiten der russischen Okkupation geschmuggelt, denn litauische Bücher waren damals streng verboten.

Neben dem Museum, das leider geschlossen hatte, liegt ein wunderschöner Garten mit Kunstobjekten. Außerdem gibt es eine kleine Wanderung, die entlang des Anwesens und dem Bach Bite vorbeiführt. Sie trägt den Namen Paradiesstraße, angelehnt an ein Buch der Schriftstellerin Ulla Lachauer. Lachauer lässt ihrem Werk die ostpreußische Bäuerin Lena Grigoleit zu Wort kommen.

Skulpturen im Garten von Bitenai
In diesem Garten wird gelesen
Kunstwerk im Museumsgarten von Bitenai
Noch mehr Kunst im Museumsgarten

Und wären diese Geschichten nicht allesamt interessant und spannend genug, besichtigen wir in Bitėnai noch den Waldfriedhof und gehen auf die Suche nach einer Storchenkolonie. Störche brüten normalerweise mit genügend Abstand zu ihren Nachbarn, meist auf Masten oder Schornsteinen. In Bitėnai machen die Vögel allerdings eine Ausnahme. Sie bauen ihre Nester in den Bäumen hoch über unseren Köpfen.

Das Eingangstor zum Friedhof
Das Eingangstor zum Waldfriedhof
Waldfriedhof in Bitenai
Der Waldfriedhof in Bitenai
Storchenkolonie
In den Bäumen brüten Störche

Der Opferstein am Rambynas

Ein letzter Programmpunkt an der Memel wartet auf uns. Rambynas heißt der heilige Berg samt Opferstein, der auf einer Informationstafel auch als Stolz der Nation Litauen gepriesen wird. Viele Sagen und Mythen ranken sich sowohl um den Stein als auch um den Hügel.

Waren wir bei unseren sonstigen Besichtigungen meist alleine unterwegs, sind heute besonders viele Menschen anzutreffen. Sogar eine Busgruppe hat sich eingefunden und die Touristinnen und Touristen fotografieren mit Begeisterung sowohl den Stein als auch den Ausblick auf die Memel.

Opferstein Rambynus
Der Opferstein am Rambynus
Die Memel
Blick auf die Memel vom Rambynus

Ich bin ebenfalls begeistert: von der Reise entlang der Memel mit ihren Schlössern und Geschichten. Trotzdem freue ich mich auf unsere nächstes Ziele: das Memeldelta, die Stadt Klaipėda und die kurische Nehrung.

Hinterlassen Sie einen Kommentar





Miriam blitzt - Miriam Mehlman Fotografie

GUDRUN KRINZINGER

Ich tue. Ich reise. Ich bin.

Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.

Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.

MUSEUMSBLOG

BÜCHERBLOG

REISENOTIZEN