Bad Hévíz – mehr als nur ein Kurort
Ein Gastbeitrag von Sonja Warter
Ungarn. Für mich war unser südöstliches Nachbarland immer nah und fern zugleich. Ja, geografisch liegt es um die Ecke und trotzdem kenne ich außer Budapest fast nichts davon. Offenbar hat sich der Eiserne Vorhang, den es in meiner Kindheit tatsächlich noch gab, in meinem Gehirn unbewusst weiter fortgesetzt. Dabei hat das Land der Magyaren einiges zu bieten.
Ein Wochenendausflug nach Bad Hévíz verkleinert den weißen Fleck auf meiner inneren Landkarte zumindest ein bisschen und beschert mir ein wunderbares und erholsames Wochenende.
Bad Hévíz ist nur eine kurze Autofahrt entfernt
Nach exakt drei Stunden steigen wir in Bad Hévíz aus dem Auto, eine perfekte Distanz für einen Kurztrip. Schon die Fahrt von Wien führt durch idyllische Gegenden; der Raps steht in voller Blüte, die Landschaft ist malerisch und kaum zersiedelt.
Jetzt sind wir in einem Kurort mit etwas mehr als 4.000 Einwohnern an der ungarischen Bäderstraße angekommen, etwa 6 km vom Balaton entfernt. Hierher kommt man zur Erholung, um Körper und Seele baumeln zu lassen und um sich kulinarisch verwöhnen zu lassen.
Die Qual der Wahl bei der Hotelsuche
Bad Hévíz ist auf Touristen ausgerichtet, wer ein gutes Hotel braucht, wird also nicht lange suchen müssen.
Wir steigen im Hotel Lotus Therme Thermal & Spa ab. Das Hotel war lange in österreichischer Hand, errichtet und geführt von der Familie Rogner. Zwar hat sich die Familie mittlerweile zurückgezogen, ihre Handschrift ist aber bis heute zu spüren. Ein guter Teil des Personals ist seit der Eröffnung mit dabei. Bei Schlechtwetter müsste man das Hotel im Grunde nie verlassen, denn es gibt alles, was das Herz begehrt: Innen- und (beheizte) Außenpools, ein Thermalbecken, eine Salzgrotte und sogar eine Kältesauna. Und ein hervorragendes Restaurant, in dem neben internationalen Köstlichkeiten auch ungarische geboten werden. Meine kulinarischen Highlights: Ein Paprikasch mit Wels und Erdäpfelsterz.
Wer Urlaub mit Kindern machen möchte, wird hier wahrscheinlich nicht ganz glücklich werden, doch es gibt eine gute Alternative. Im Hotel Európafit ist der Wellnessbereich sogar noch größer und für die Kleinen steht sogar eine eigene „Spielhalle“ zur Verfügung. Man ist auch auf Seminargäste ausgerichtet, inklusive eigener Showküche für Teambuilding, Kochkurse etc. Für die Behandlung gesundheitlicher Probleme sorgt eine Batterie an Spezialisten: Von Dermatologen über Rheumatologen bis Kardiologen ist alles da.
Auf dem Weg in die Stadt
Am Nachmittag machen wir uns von unserem Hotel auf den Weg in die Stadt. Wir nehmen den Hinterausgang und wandern zuerst durch eine kleine Allee im hoteleigenen Park, weiter entlang eines Auslasses des Hévízer Sees und dann durch den Wald bis zum Seebad.
Die Natur ist zauberhaft. Wir erblicken zahlreiche Seerosen auf dem Wasser, in dessen unbedeckten Flächen sich sattgrüne Bäume spiegeln. Das Gras links und rechts des Weges ist fast schon giftgrün, so frisch ist es. Der Frühling zeigt, was er kann. Etwas weiter weg vom Hotel planschen einige Einheimische. Auch hier am See-Auslass ist das Wasser noch warm und im Unterschied zum Seebad kostest das nasse Vergnügen hier nichts. Außer man lässt sich erwischen, dann muss man vermutlich Strafe zahlen, denn das Baden ist hier verboten.
Der 33,9 Hektar große Wald rund um den See ist übrigens nicht nur bildschön, er hat auch eine Funktion. Genaugenommen mehrere. Er schützt den See vor Wind und damit vor schneller Abkühlung. Außerdem filtert er Schadstoffe und Lärm und ist Heimat zahlreicher Tierarten.
Unser Ziel ist das Bistro Brix, in dem wunderbar köstliche Tapas auf uns warten. Die Tapas sind eine grandiose Idee, denn jede einzelne davon ist so gut, dass uns etwas entgangen wäre, hätten wir uns nur auf eine einzige Speise beschränkt. Zwei haben es mir besonders angetan: Zakuszka – ein Mus aus Paprika, Auberginen und Tomaten – und die gebackenen Steinpilze mit Sauce Remoulade.
Saisoneröffnung in alten Kostümen
Unser Wochenendtrip fällt genau mit den Feierlichkeiten zur Saisoneröffnung in Bad Hévíz zusammen. Die sind eigentlich ein Relikt aus der Vergangenheit, denn mittlerweile hat das Seebad immer Saison, selbst im Winter. Trotzdem lässt man am letzten Wochenende im April die Vergangenheit noch einmal aufleben – in Form einer Modenschau in historischen Kostümen und eines Umzugs.
Wir bewundern Damen in Kleidern à la Sisi, kecke Charleston-Tänzerinnen, mutige Feuerschlucker, geschickte Stelzengeher und andere Gaukler. Ein Fest für alle Sinne, denn natürlich gibt es auch Imbiss- und andere Verkaufsstände, an denen man es sich kulinarisch und anderweitig gutgehen lassen kann. Und das bei Pracht-Frühlingswetter. Wir hätten es schlechter treffen können.
Auf zum Ballon
Auf eine Sache habe ich mich schon lange vor der Abreise wie eine Schneekönigin gefreut: Auf die angekündigte Ballonfahrt. Ich habe bis dato keine gemacht und bin jetzt gespannt wie ein Pfitschipfeil. Am frühen Abend wartet auf uns ein brandneuer Heißluftballon, unsere ist erst seine siebente Fahrt mit neuer Hülle. Der Ballon, so verkündet es der stolze Besitzer des Unternehmens Balaton Balooning, ist der größte Ungarns und der sicherste. Obwohl nicht vorgeschrieben hat der Korb, in den 18 Personen passen, sogar Sicherheitsgurte. Das ist doch schon mal eine gute Nachricht. Weniger gut ist, dass die Windverhältnisse bei unserer Ankunft am Startplatz etwas außerhalb von Bad Hévíz nicht ideal sind. Das bedeutet: Wir müssen noch eine Weile auf der Erde bleiben.
Endlich! Wir heben ab!
Es wird ein Geduldsspiel und fast befürchten wir schon, dass aus unserer Ballonfahrt nichts wird. Es ist mittlerweile 18.30 Uhr und bei Sonnenuntergang muss der Ballon wieder am Boden sein.
Doch dann geht es plötzlich schnell. Auf ein Zeichen des Chefs wird die dünne Hülle in Windeseile aufgeblasen, innerhalb weniger Minuten ist alles erledigt. Währenddessen müssen wir uns in vier Reihen aufstellen, jede vor einem anderen Kompartment des Ballonkorbes. Die vier Segmente sind tatsächlich voneinander abgetrennt, schließlich soll das Gewicht ja einigermaßen gleich verteilt sein.
Da kommt auch schon das Kommando zum Einsteigen, das wir natürlich eiligst befolgen. Elegant sieht anders aus, aber Hauptsache drinnen. Fünf Minuten wackeln wir noch am Boden herum, warum, erschließt sich mir nicht. Dann fragt der Pilot, ob wir „ready for take-off“ sind und nach einem begeisterten „Yes“ heben wir ab.
In lichten Höhen
Schnell schweben wir in immer größere Höhen. Die Häuser und Weinberge unter uns werden immer kleiner, wir sehen in weite Ferne. Da ist sogar Österreich ganz am Horizont! Deutlich näher liegt unter uns der Balaton. Ganz ruhig sieht er von hier oben aus, sogar das Schloss Festetics, das wir ebenfalls besuchen werden, können wir erkennen.
Die Sonne nähert sich langsam dem Horizont, meine innere Temperatur eher dem Gefrierpunkt. Mittlerweise sind wir auf 2.000 Metern angelangt, hier oben ist es kalt. Ich habe mehrere Jacken übereinander an, aber es reicht nicht. Handschuhe wären super gewesen, doch die habe ich nicht mit. Nächstes Mal weiß ich es besser. Wenn ich über den Korbrand hinunterblicke, wird mir ein bisschen mulmig. Nur nicht senkrecht in die Tiefe schauen, lieber auf den Horizont.
Ballon-Rodeo für Anfänger
Zweimal müssen wir – lange vor dem Sinkflug – das Landemanöver üben, damit ja nichts passieren kann. Schon vor dem Start haben wir einen Gurt bekommen, für die Landung muss er in den dazugehörigen Karabiner am Korb eingehängt werden. Aber das ist nicht alles! Mein Allerwertester und der von zwei anderen gehört an die Korbwand, lernen wir. Die anderen zwei in meinem Segment müssen sich – locker in den Knien (!) – vor uns aufstellen. Alles nicht so einfach. Nach zwei Versuchen können wir es! Noch genießen wir den herrlichen Ausblick. Still ist es, wenn der Ballon nicht gerade „befeuert“ wird. Kein Umgebungslärm, wir sind ganz allein hier oben.
Langsam nähern wir uns wieder dem Boden. 1.900 Meter, 1.800, 1.600 … Fast schon sind wir unten. Ich wundere mich, wo das Kommando für die „Landeposition“ bleibt. Kurz vor dem Aufsetzen kommt es. Wir setzen auf, hüpfen weiter, setzen auf, hüpfen wieder weiter. Dann kommt der Ballon zum Stillstand. Das „Ballon-Rodeo“, wie der Pilot das Landemanöver nennt, ist wirklich völlig harmlos. Wir klettern – wieder mäßig elegant – aus dem Korb und erhalten zur Feier der bestandenen Ballonfahrt ein Glas Sekt und eine Urkunde. Währenddessen sind die Mitarbeiter fleißig und verpacken den riesigen Ballon in eine vergleichsweise winzige Kugel. Ich will lieber nicht darüber nachdenken, wie wahnsinnig dünn die Außenhaut sein muss, wenn sie sich so klein zusammenrollen lässt …
Die Rückfahrt dauert eine ganze Stunde, wir sind also richtig weit abgetrieben. So haben wir wenigstens genug Zeit, uns wieder aufzuwärmen.
Paprika, Langos und Hanfsirup
Auf der Erde von Bad Hévíz kann man natürlich auch allerlei unternehmen, was wir am nächsten Tag tun. Zum Beispiel am Bauernmarkt einkaufen. Dreimal pro Woche gibt es da von allem etwas: Langos in salzig und süß, gigantische Säcke – Sackerl wäre wirklich untertrieben – mit gemahlenem Paprika, von der Decke baumelnde Salamistangen, Hanfsirup (nicht getestet!) und sogar Lebkuchen in Form von Dinosauriern.
Mit der Nudel im Thermalsee von Bad Hévíz
Nach dem anstrengenden Shopping wird es Zeit für eine Erholung im Bad Hévízer See, dem weltweit größten natürlichen und biologisch aktiven Thermalsee. Dass er eine heilende Wirkung unter anderem bei Rheuma und Arthrose hat, wussten schon die alten Römer.
Vor dem Eingang im Kurpark erwartet uns in einem kleinen Brunnen schon die erste wenig bekleidete Gestalt. Wir folgen der indirekten Aufforderung und betreten das Haupthaus, das über einen langen Gang mit dem Badesteg und den inneren und äußeren Liegeplätzen am See verbunden ist. Es ist Vormittag und damit verhältnismäßig wenig los. Das Innere des Seebads – also des Hauses – versprüht eine Mischung aus k. u. k.- und endkommunistischem Charme. Draußen gibt es einen großen Bereich mit Liegen, in denen man sich bei Schönwetter wunderbar entspannen kann. Wobei es mir jahreszeitbedingt allerdings schnell zu kalt wird.
Zeit, den See zu testen
Er ist weniger warm als gedacht – von der Höchsttemperatur von etwa 34 Grad, die er im Sommer erreichen soll, ist er sicherlich noch ein gutes Stück entfernt. Also heißt es schwimmen, wenn mir warm bleiben soll. Schwimmen ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort. Es geht eher ums langsame Fortbewegen mithilfe einer Schwimmnudel. Zumindest machen das die meisten hier so. Länger als 20 Minuten soll man ohnehin nicht im Wasser sein, denn das Planschen im Heilsee belastet den Kreislauf. Falls sich jemand fragt: Der See verströmt einen leichten Schwefelgeruch, den man vor allem nach dem Bad auf Haut und Haaren wiederfindet. Nichts, was eine gute Dusche nicht wieder hinbekommen würde!
Der kleine Teil des Sees, der sich im Inneren des Gebäudes befindet, ist übrigens deutlich wärmer. Hier schwimmt man definitiv nicht, sondern dümpelt vor sich hin. Wir beobachten Menschen, die sich aufreihen wie die die Hühner auf der Stange. Erst nach einiger Zeit entdecken wir das Schild. Ah, hier gibt es also Unterwassermassage! Doch egal ob mit oder ohne: Erholsam ist es hier allemal!
Schloss Festetics – Ein Liebesschloss am Plattensee
Nach Ballonfahren, Baden und gutem Essen fehlt nur noch die Kultur, oder? Gut, dass es quasi ums Eck von Bad Hévíz das Barockschloss Festetics gibt. Angesichts seiner Lage fast direkt am Balaton verwundert es nicht, dass es das meistbesuchte Schloss Ungarns ist. Etwa 200 Jahre hat die aus Kroatien stammende Familie Festetics hier gelebt. Und es wäre kein Schloss, wenn es dort nicht eine richtig kitschige Liebesgeschichte gegeben hätte, oder?
Die gab es tatsächlich. Und zwar im 19. Jahrhundert zwischen Tasziló Festetics II. und der schottischen Prinzessin Mary Victoria Hamilton. Während einer Schottlandreise des zu diesem Zeitpunkt unbedeutenden Sprosses der Adelsfamilie verliebten sich die beiden Hals über Kopf. Dumm nur, dass Mary schon mit einem anderen verheiratet war, nämlich mit Prinz Albert von Monaco.
Scheidung undenkbar
Glücklich war die Ehe nicht, eine Scheidung war aber zur damaligen Zeit undenkbar. Noch dazu aus Liebe! Da traf es sich „gut“, dass Tasziló unerwartet zu Reichtum und Rang kam, als zwei Familienangehörige ganz kurz hintereinander starben. Mithilfe seines neugewonnen Einflusses konnte die Ehe von Mary nun doch annulliert werden und der Weg für das Liebespaar stand endlich offen! Sein Liebes- und Familienglück ließ sich Tasziló fortan einiges kosten. Er beauftragte den Aus- und Umbau des Schlosses, womit es seine heutige Form erhielt. Liebe braucht schließlich Platz!
Zu sehen gibt es übrigens auch eine wunderbare Bibliothek mit etwa 50.000 Büchern, die – gemeinsam mit dem heute zu besichtigenden Mobiliar – den zweiten Weltkrieg durch eine List überstanden hat. Sie „verschwand“ nämlich hinter einer Mauer, auf der eine Warnung vor infektiösen Krankheiten angebracht wurde. Eine geniale Idee, hat sie doch dazu geführt, dass bis heute jedes Jahr unzählige Besucher diesen prächtigen Anblick genießen können.
Heute ist das Schloss in Staatsbesitz, obwohl der letzte Abkömmling der Familie, der im Schloss geboren wurde, nach wie vor am Leben ist. Seinen ehemaligen Besitz will der mittlerweile betagte Herr, der in Wien wohnt, nicht mehr zurück.
Ein Blick auf den Balaton
Nach einem erholsamen Spaziergang im Schlossgarten und gestärkt mit einem Kaffee ist die Zeit für den Heimweg gekommen. Allerdings nicht, ohne einen Abstecher zum Balaton zu machen und wenigstens kurz den Blick über den riesigen Steppensee schweifen zu lassen. Urlaubsgefühl macht sich in mir breit. Ich werde wohl wiederkommen müssen.
Offenlegung: Die Autorin wurde zu dieser Reise eingeladen. Organisiert wurde der Aufenthalt von Hévízi Turisztikai Nonprofit Kft.
Alle Bilder in diesem Blogbeitrag stammen von Sonja Warter.
Seit 2024 schreibt Sonja als Gastautorin auf dem Blog der Reisebloggerin. Als PR-Profi und Ghostwriter beruflich eher sachlich unterwegs, genießt sie es, wenn sie hier auch über ihre Lieblingsspeisen oder unnützes Wissen berichten kann. Bisherige Lieblingsländer: Marokko, Island und Kanada. Sinnlosestes Wort in ihrem Wortschatz: Sää, das finnische Wort für „Wetter“. Sie liebt Fish & Chips mit kanadischem Wildlachs und hasst französische Austern. Zweiteres kann die Reisebloggerin übrigens nicht nachvollziehen.
GUDRUN KRINZINGER
Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.
Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.