Nervig, aber schön: Das Rom der Baustellen und des Verkehrschaos

Ein Gastbeitrag über das Rom der Baustellen von Sonja Warter

trevibrunnen rom
© Fotoreisen.com

Diesmal bin ich im Frühsommer in Rom, gemeinsam mit meiner Freundin Marie, auf der Suche nach den letzten Fotomotiven für unser im September erscheinendes Buch zur Ewigen Stadt. Viel hat sich geändert seit unserem Besuch im Jänner. Jetzt ist hier alles voller Touristen und … voller Baustellen.

Warum? Nicht praktizierende Katholiken werden das nicht am Radar haben, echte Pilger dagegen schon: Zu Weihnachten beginnt das nächste „Heilige Jahr“. Das bedeutet, dass Millionen von Menschen in der Hoffnung auf Vergebung ihrer Sünden in die italienische Hauptstadt kommen werden. Einmal da, werden sie die vier Hauptbasiliken und nebenbei die ganze Stadt besuchen. Klar, dass die Verantwortlichen wollen, dass sich die Metropole dann von ihrer schönsten Seite zeigt. Ob es sich ausgeht? Das weiß niemand.

Spanische Treppe mit Menschen in Rom
In Rom tummeln sich immer viele Touristen. 2025 werden sich wohl noch mehr als sonst tummeln.

Unterkunft am Strand der Römer: Ostia

Ich lande am Mittwoch vor Fronleichnam in Fiumincino, dem römischen Flughafen. Marie, die schon länger in Italien ist, holt mich mit dem Auto ab. Wir fahren zu unserer Unterkunft nach Ostia, das, genau wie das Nachbarstädtchen, zu dem der Flughafen gehört, direkt am Tyrrhenischen Meer und südwestlich von Rom liegt. Im Sommer kommen die Römer hierher zum Baden, wir dagegen, weil wir am langen Wochenende in der Ewigen Stadt keine leistbare Unterkunft mehr bekommen haben.

Kleiner Schwank am Rande: Im katholischen Italien ist Fronleichnam kein Feiertag. Im Herzen der Stadt, im Vatikan, dagegen schon.

Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Es ist das lange Wochenende Ende Mai/Anfang Juni und es ist schon warm, eigentlich schwül-warm. Aus römischer Sicht ist allerdings noch nicht Sommer, denn am Strand gibt es noch nichts, weder Liegen noch geöffnete Lokale. Trotzdem finden wir keinen Parkplatz in der Nähe unseres Hotels, da die Straße hier offenbar einer Sanierung unterzogen wird. Ob das auch mit dem Heiligen Jahr zusammenhängt? Keine Ahnung.

Strand mit Schirmen
Wo sind die Badegäste?
Blick vom Hotelfenster auf den Strand von Ostia
Ostia, der Strand der Römer

Mit dem Zug nach Rom

Nach einem opulenten Mittagsmahl – köstlichen Gnocchi alla Sorrentina gefolgt von einem Espresso – machen wir uns auf den Weg nach Rom. Die Züge fahren alle 20 Minuten und bringen uns in exakt 30 Minuten bis zur Pyramide im römischen Stadtteil Ostiense.

Von dort aus kann man bequem mit der Straßenbahn weiterfahren. Alles wunderbar. Doch noch am Bahnhof in Ostia stellen wir fest, dass die Rückfahrt schon etwas schwieriger werden könnte. Denn: Ab 21 Uhr gibt es Schienenersatzverkehr. Vorerst nehmen wir das zur Kenntnis und gehen auf Fotojagd.

Gnocchi
Gestärkt mit Gnocchi begeben wir uns auf Fotojagd

Warten auf den Bus

Campo de’ Fiori, Pantheon und Petersplatz bei Nacht haben wir geschafft. Dann wollen wir zurück, der letzte Bus nach Ostia geht angeblich um 23.30 Uhr.  Aber wir würden lieber den davor erwischen. Am Largo Argentina, wo die antiken Überreste im goldenem Abendlicht besonders schön aussehen, planen wir, den Bus zur Pyramide zu nehmen. Laut App der römischen Verkehrsbetriebe ATAC sollte der in ein paar Minuten kommen.

Petersplatz bei Rom bei Nacht
Der Petersplatz bei Nacht

Soweit die Theorie. In der Praxis vergehen die genannten Minuten, ohne dass der Bus mit der richtigen Nummer unser Sichtfeld kreuzt. Die App ändert ihre Meinung und kündigt ihn eine Viertelstunde später an. Die Anzahl der Wartenden steigt indessen, aber der Bus kommt wieder nicht. Jetzt reicht es uns, wir nehmen ein Taxi und erreichen nur wenige Minuten später den Bahnhof an der Pyramide.

Ausgrabungsstätte in Rom
Largo di Torre Argentina – und wo gehts hier zum Bus?

Abfahrt: zu früh

Dort angekommen, suchen wir den Bus an der Stelle, die uns bei der Ankunft am Nachmittag angegeben wurde. Wir sehen aber nichts, das nur irgendwie nach ATAC ausgesehen hätte. Hier steht zwar eine Art Reisebus, aber der scheint von einer privaten Gesellschaft zu sein und verrät durch nichts, wohin er zu fahren gedenkt.

Die Gegend ist etwas zwielichtig – nicht weit entfernt streitet ein offensichtlich alkoholisiertes Pärchen so heftig, dass irgendwann die Polizei kommt. Ein paar Meter weiter sucht ein Obdachloser nach einem Lager.

Der Zeiger der Uhr rückt vor, ohne dass ein weiterer Bus auftaucht. Also fragt Marie aus purer Verzweiflung irgendwann doch den Fahrer des privaten Buses. Siehe da – es ist unser gesuchtes Transportmittel! Und es ist knackevoll. Wir ergattern gerade noch zwei Plätze in der hintersten Reihe, dann schließen sich die Türen und wir fahren los. 10 Minuten vor der geplanten Abfahrtszeit, aber was kümmert’s die Römer?

Wo sind wir nur?

Es wird eine lange „Heimfahrt“. An weiteren Haltestellen steigen Leute zu, irgendwann stehen Fahrgäste im Gang – was sicherlich sogar in Italien verboten ist. Es ist stockfinster, wir können nicht erkennen, wo wir sind. Haltestellen werden leider auch nicht angekündigt. Und so rumpeln wir die holprigen Straßen einigermaßen orientierungslos entlang, inmitten einer zu 95 % männlichen Gruppe, die nach dem optischen Eindruck zu schließen, mehrheitlich aus Arbeitern afrikanischer Herkunft besteht.

Nach einigen Beratungen mit unserem Umfeld und dem Fahrer schaffen wir es tatsächlich, an der richtigen Haltestelle auszusteigen. Die Uhr zeigt bereits den nächsten Tag an. Marie und ich sind uns einig: Morgen fahren wir mit der letzten Bahn!

Lieber mit der Bim

In den nächsten  Tagen stellen wir fest, dass die Öffis, die in Rom schon zu normalen Zeiten verglichen mit meiner Heimatstadt Wien nicht das Gelbe von Ei sind, noch zusätzlich unter den Vorbereitungen zum Heiligen Jahr leiden.

Manche Buslinien wurden aufgelassen, andere fahren wegen der Baustellen andere Routen als noch vor einem halben Jahr und es gibt auch welche, deren Haltestellen verlegt wurden und kaum noch zu finden sind. Abgesehen davon sind die Öffis der Lieblingsaufenthaltsort von Taschendieben. Es empfiehlt sich also, auf die Handtasche oder den Rucksack extra gut aufzupassen!

Bus in Rom
Beliebt bei Taschendiesen: der Bus Nr.64

Tipp an dieser Stelle: Lieber mit den Straßenbahnen fahren! Die kommen einigermaßen regelmäßig und halten sich an ihre Route! Noch besser: zu Fuß gehen. Dann ist man wenigstens selbst schuld, wenn man nicht ankommt.

Immer eine gute Idee: Rom zu Fuß erkunden

Auto? Nicht die beste Idee!

Wer jetzt die Idee hat, dass man mit dem Auto besser vorankommt, den muss ich enttäuschen. Es gibt kaum Parkplätze, aber dafür staut es überall. Die Polizei nützt da nur wenig. Verkehrszeichen haben ohnehin eher den Charakter von Empfehlungen, ebenso Ampeln. Etwas, das man als Österreicher oder Deutscher erst einmal lernen muss.

Wichtigste Regel für Fußgänger: Mutig drauf los und den Fahrern der herannahenden Autos immer in die Augen schauen. Für die Autofahrer gilt: Nicht Auto-eitel sein. Beschädigungen sind ganz normal und unvermeidbar. Außerdem sollte man nichts offen im Fahrzeug liegenlassen, um den Langfingern der Stadt keinen Gusto zu machen.

Verkehrschaos in Rom
Auch die Autos stehen im Stau

Die U-Bahn fährt nur selten

Es gibt natürlich auch eine U-Bahn. Derzeit sind es 2,5 Linien. Der Ausbau der Metro ist in mehr oder weniger vollem Gang. Aufgrund ihrer langen Intervalle ist sie allerdings immer hoffnungslos überfüllt. Noch dazu werden manche Stationen aufgrund der Umbauarbeiten zwischenzeitlich geschlossen.

Es kann nur besser werden! Doch das kostet. Bereits im Juli – rechtzeitig vor Beginn des Heiligen Jahres – werden die Ticketpreise erhöht. Dafür soll es 2025 extra Pilgerbusse geben. Man wird sehen.

polizei in Rom
Wo gehts hier zur U-Bahn?

Piazza Venezia: die Superbaustelle

Das geografischen Zentrum der Stadt, die Piazza Venezia, ist derzeit praktisch eine einzige Baustelle. Gebaut wird dort schon länger, es soll eine neue U-Bahn-Station entstehen. Laut Bürgermeister Roberto Gualtieri handelt es sich dabei um die komplexeste und ehrgeizigste U-Bahn-Station der Welt. Vielleicht hat er sogar Recht.

Dort zu bauen, ist ein schwieriges Unterfangen. Je tiefer man gräbt, desto mehr antike Überreste werden gefunden. Die rund 500.000 Fundstücke sollen irgendwann in einem Museum ausgestellt werden. Offiziell heißt es übrigens, dass die Baustelle in acht Jahren beendet sein soll. Die meisten Römer gehen jedoch davon aus, dass sie das Ende der Bauarbeiten nicht mehr erleben werden …

Rom der Baustellen
Gehen sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen!

Verhüllte Sehenswürdigkeiten

2025 werden 35 Millionen Pilger in der Ewigen Stadt erwartet. Da muss sie schon hübsch sein, oder? Derzeit zieren sie allerdings mehr als 1.000 Baustellen, an manchen Orten ist daher durchaus Vorstellungskraft gefragt, um sich auszumalen, wie es hier normalerweise aussieht.

Zugegeben: Manche Bauarbeiten sind sicherlich dringend notwendig und hätten schon lange durchgeführt werden sollen. Andere nicht unbedingt. So wird zum Beispiel vor der Lateranbasilika – einem der wichtigsten Zentren im Heiligen Jahr – ein Brunnen errichtet. Der Grund erschließt sich mir nicht. Schließlich gibt es schon mehr als 2.500 davon in der Stadt.

Noch im Jänner habe ich die riesige Piazza Navona mit ihren drei Fontänen bewundert. Jetzt sind die prächtigen Wasserbecken leider nur noch eingeschränkt zu sehen. Aber – das muss man den findigen Römern lassen –, sie haben Gucklöcher in die Planen eingebaut, sodass man zumindest etwas erspähen kann …

Der Brunnen am Piazza Navona, fotografiert für den Blogbeitrag das Rom der Baustellen
Das Rom der Baustellen fotografiert durchs Guckloch

Trotzdem: Rom geht immer

Auch wenn ich hier über das Verkehrs- und Baustellenchaos lästere, soll das natürlich nicht heißen, dass man Bellissima Roma jetzt meiden soll. Keine Sorge, das ist nicht nötig, denn diese Stadt schafft es sogar, inmitten von 1.000 Baustellen wunderschön zu sein!

Manche Orte – wie der Campo de‘ Fiori – sind auch nicht betroffen. Dort geht es zu wie immer. Die Lokale sind voll und laut – die Fernseher laufen unentwegt, Straßenkünstler malen vor sich hin, Horden von Priestern aus aller Herren Länder schlendern über den Platz. Nur der hingerichtete Giordano Bruno – oder besser sein Denkmal – in der Mitte des Campo bleibt von all dem völlig unbeeindruckt.

Nimm‘ dir einfach ein Beispiel. Trink einen wunderbaren Espresso oder iss ein köstliches Gelato und alles ist wieder gut! Rom ist immer eine Reise wert!

Strassenkuenstler in Rom
Diesen Straßenkünstler lässt das römische Verkehrschaos kalt

Seit 2024 schreibt Sonja als Gastautorin auf dem Blog der Reisebloggerin. Als PR-Profi und Ghostwriter beruflich eher sachlich unterwegs, genießt sie es, wenn sie hier auch über ihre Lieblingsspeisen oder unnützes Wissen berichten kann. Bisherige Lieblingsländer: Marokko, Island und Kanada. Sinnlosestes Wort in ihrem Wortschatz: Sää, das finnische Wort für „Wetter“. Sie liebt Fish & Chips mit kanadischem Wildlachs und hasst französische AusternZweiteres kann die Reisebloggerin übrigens nicht nachvollziehen.

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8 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Barbara | Reisepsycho am 02/07/2024 um 08:39

    Haha, ich musste jetzt schmunzeln, denn: Das mit dem römischen Bussen kenn ich. Ich war ja schon 7 Mal in Rom und noch nie war da irgendeiner pünktlich 🙂 Dafür hatte ich mit der U-Bahn noch nie Schwierigkeiten.
    Lustig auch übrigens die Aussage, das das Stehen im Gang im Bus in Ö verboten ist. Tausende von Schülerinnen und Schülern am Land kostet das ein müdes Lächeln 😉 (war immer blöd wenn man stehen musste, dann konnte man nicht noch schnell mal die Hausübung machen vor der Schule).
    Ich überlege gerade, vielleicht doch noch dieses Jahr nochmal nach Rom zu fahren, wenn da nächstes Jahr so ein Trara ist .. mal schauen.

    • Veröffentlicht von Sonja am 02/07/2024 um 13:22

      An das mit den Schulbussen kann ich mich auch erinnern. In dem Fall habe ich aber die Überlandbusse gemeint, da stand und steht man bei uns auch nicht ;-).

      Wenn du im Herbst nach Rom fährst, kannst du uns ja berichten, ob sie mit den Baustellen schon weitergekommen sind. Viel Spaß!

  2. Veröffentlicht von Renate am 02/07/2024 um 09:56

    Liebe Sonja,

    dann hoffen wir mal, dass alle Baustellen bis 2025 fertig werden! Bei uns dauern sie gefühlt ewig. Wir sind in Rom immer viel zu Fuß gegangen. Rom ist eine wunderbare Stadt. Nur mit dem Auto würde ich mich nicht hinein trauen.

    Viele Grüße
    Renate

    • Veröffentlicht von Sonja Warter am 02/07/2024 um 13:25

      Liebe Renate,

      dann hast du das immer schon gescheit gemacht :-). Ja, das mit Auto … Unseres hatte nach einen Tag Rom eine Schramme. Aber das gehört dort wohl dazu. Einfach trotzdem genießen!

  3. Veröffentlicht von Romy am 02/07/2024 um 13:17

    Okay, wieder ein weiteres Jahr, in dem ich Rom meiden werde – obwohl ich so gerne einmal hin möchte. Doch Baustellen und Heiliges Jahr – das tue ich mir besser nicht an. Klingt zu abenteuerlich für mich. 😀

    • Veröffentlicht von Sonja am 02/07/2024 um 16:01

      Dafür ist danach (hoffentlich) alles hübsch.

  4. Veröffentlicht von Dennis am 03/07/2024 um 11:27

    Ein wenig Chaos im Verkehr und umtriebige Baustellen-Dynamik machen einen Städtetrip doch erst zu einem mit Authentizität veredeltem Erlebnis …
    Also, für mich liest sich der Bericht wie die Bilanz eines vollends romantischen Ausflugs.

    Liebe Grüße

    Dennis

  5. Veröffentlicht von Tanja am 03/07/2024 um 17:36

    Danke für den schönen, umfangreichen Artikel. Er weckt die Reisesehnsucht!
    Liebe Grüße Tanja

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Miriam blitzt - Miriam Mehlman Fotografie

GUDRUN KRINZINGER

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Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.

Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.

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