Johannesburg: Mein erster Tag in Südafrika
Ein Gastbeitrag über Johannesburg von Sonja Warter
Seit meiner Matura, bei der ich eine fächerübergreifende Kombination aus Geografie und Geschichte gewählt habe, wollte ich unbedingt nach Südafrika. Denn eines meiner selbstgewählten Schwerpunktthemen, das mich damals schon in Bann gezogen hat, war die Apartheid, ihr Ende und die Folgen. Damals hoch aktuell und brisant. Mit Auswirkungen, die das Land noch heute spürt.
Im Jänner habe ich entschieden, mir nach 30 Jahren (!) meinen Traum zu erfüllen. Und nun setze ich ihn in die Tat um: Nach einem fast 10-stündigen Flug lande ich erschöpft, aber glücklich auf dem Flughafen O. R. Tambo in Johannesburg.
Außer Gefahr
Joburg – wie die Metropole im Nordosten Südafrikas gerne verkürzt genannt wird – nimmt seit Jahren einen Spitzenplatz in den Rankings der gefährlichsten Orte der Welt ein. Ein bisschen besorgt bin ich also. Besonders, weil ich gelesen habe, dass bereits auf der Ausfahrt vom Flughafen Autos von Ganoven aufgehalten und die Insassen ausgeraubt werden sollen.
Ich habe mir von Österreich aus einen Transfer gebucht und erhalte nun Gelegenheit, mir einen ersten eigenen Eindruck zu verschaffen. Und der ist gar nicht so schlecht. Die Gegend rund um den Flughafen und die Nationalstraßen/Autobahnen sieht eigentlich aus wie überall. Keine Bedrohung, welcher Art auch immer.
Mein Hotel befindet sich in Rivonia, einer Art Business-Vorort von Johannesburg. Schon beim Einbiegen zur Unterkunft fällt mir auf, dass sie durch einen hohen Zaun gesichert ist und eine Wache das Einfahrtstor öffnen muss, damit mich mein Fahrer überhaupt auf den Parkplatz chauffieren kann. Das gefällt mir nicht mehr ganz so gut.
Essen mit den Einheimischen in Johannesburg? Vorläufig … nicht
Da ich die ganze Nacht durchgeflogen bin, ruhe ich mich erst einmal aus, doch vorher buche ich mir für den Nachmittag eine Tour nach Downtown und Soweto. Neugier schlägt Sicherheitsdenken. Nach meinem Vormittagsschläfchen habe ich Hunger, außerdem brauche ich südafrikanische Rand, die einheimische Währung. Die Hotelrezeption schickt mich zu einem nahegelegenen Shoppingcenter und versichert mir, dass ich dahin problemlos zu Fuß hingehen kann. Und nein, gefährlich sei es nicht.
Kurz vor besagtem Shoppingcenter erblicke ich eine ganze Reihe behelfsmäßiger Stände. Es riecht köstlich nach Essen und vor manchen dieser etwas baufälligen Buden stellen sich Menschen in mehr oder weniger langen Schlangen an. Mein Magen knurrt und ich überlege kurz, mich hier einzureihen. Ein Blick auf die weißen Plastikteller bringt mich jedoch davon ab. Dunkles Fleisch in fettiger Soße, dazu Reis, egal wohin man schaut. Gemüse? Fehlanzeige. Eine günstige und gleichzeitig deftige Angelegenheit. Und die Hygiene … naja. Abgesehen davon wäre ich die einzige Weiße, und so vertraut bin ich mit den Gepflogenheiten hier nicht, dass ich wüsste, ob ich überhaupt erwünscht wäre.
Es wird ein Burger bei KFC (ja, okay – ebenfalls nicht gesund), den es in Südafrika an jeder Ecke gibt, dann mache ich mich auf den Rückweg zum Hotel. Alles ganz easy. Ich erlebe keine bedrohliche Situation, sondern – im Gegenteil – lauter freundliche Menschen, sowohl auf der Straße (als ich den Eingang zum eingezäunten Shoppingcenter nicht finde) als auch in den Geschäften.
Die südafrikanische Zukunft ist vielversprechend
Um 14 Uhr startet meine Johannesburg-/Soweto-Tour. Etwas chaotisch, ich muss drei Mal den Fahrer wechseln, bis ich bekomme, was ich will. Der Vorteil: Das gibt mir Gelegenheit mit jedem etwas zu plaudern. Mich interessiert, wie die Leute hier die Situation nach den Wahlen im Mai beurteilen. Deshalb frage ich im Laufe meiner gesamten Südafrikareise jeden danach, der/die darüber sprechen möchte.
Meine Stichprobe ist zwar ziemlich klein, aber zumindest in dieser sind sich alle einig: Der Verlust der absoluten Mehrheit des ANC (African National Congress, die Partei von Nelson Mandelas mitunter korrupten Erben) und das Hochkommen kleinerer Gruppierungen mit jungen, engagierten Menschen werden sich positiv auf das Land auswirken. Weniger Korruption, mehr Unterstützung für jene, die in einer finanziell prekären Situation leben. Hoffen wir, dass sie recht behalten!
Ich muss schlucken
Mein vierter Fahrer wird mir für die Tour bleiben. Ich schätze ihn auf irgendwas zwischen fünfzig und sechzig. Er hat also die Apartheit bewusst miterlebt. Und das merkt man ihm, im Unterschied zu vielen jungen Südafrikaner:innen, noch deutlich an.
Er besteht auf dem (süd-)afrikanischen Handshake, bei dem man mit dem westlichen Handgeben beginnt, dann die Daumen verschränkt und ein paar weitere Verrenkungen dranhängt, die ich nicht mehr weiß. Es ist ihm wichtig, dieses Ritual mit einer weißen Frau zu absolvieren, denn während der Apartheid hätte ihm eine solche niemals die Hand gereicht. Ich muss schlucken, kann mir das gar nicht vorstellen. Im Laufe der Fahrt erzählt er mir Geschichten aus den „bad old days“. Zum Beispiel die, dass vor 1990 bei einem Verkehrsunfall mit Beteiligung weißer und schwarzer Personen die Rettung nur die Weißen ins Krankenhaus gebracht hat. Die Schwarzen überließ man einfach sich selbst und ihrem Schicksal.
Natürlich wusste ich in der Theorie, dass es so etwas gegeben hat, es aus dem Mund eines Betroffenen zu hören, lässt mir allerdings die Galle hochsteigen.
Johannesburg: The Golden City
Das Zentrum von Johannesburg sieht aus wie in einer amerikanischen Großstadt. Moderne Wolkenkratzer ragen in den Himmel, ich sehe Fastfood-Ketten an jeder Ecke, riesige Reklamewände. Doch kaum biegen wir um die Ecke, sind wir in einer super armen Gegend, in der extrem viele Menschen dichtgedrängt einfach nur am Bordstein lümmeln. Selbst wenn es auf den ersten Blick nicht gefährlich wirkt, verursacht mir diese Beobachtung ein ungutes Gefühl in der Magengegend.
Ein richtiges Zentrum kann ich nicht erkennen und sowas wie Flair ebenfalls nicht. Denkmäler erinnern an den Goldabbau, der hier Ende des 19. Jahrhunderts stattgefunden und zur Gründung der Stadt geführt hat. Aus der einstigen Siedlung wurde „The Golden City“, eine Metropole von heute etwa 5 Millionen Einwohnern.
Auf den Straßen sehe ich nur schwarze Menschen und People of Color. Laut meinem Fahrer sind die Weißen alle in den Bürotürmen beschäftigt, ohne jemals rauszukommen.
Es ist ihm ein echtes Anliegen, mich darauf aufmerksam zu machen, dass sich hinsichtlich Sicherheit viel getan hat. Er zeigt mir die unzähligen Überwachungskameras und die omnipräsenten Sicherheitsleute. Wobei Letztere eher „Normalbürger:innen“ mit Warnweste zu sein scheinen. Aussteigen darf ich nicht. Möglicherweise sind die Bemühungen also doch nicht so weit gediehen, wie er mir glauben machen will. So viel ist mir jedenfalls klar: Nachts und/oder allein würde ich nicht hierher kommen.
Nelson Mandela ist immer noch stark präsent
Am ersten Präsidenten nach der Apartheid kommt man in Joburg nicht vorbei. Nach wie vor wird er verehrt wie ein Heiliger. Übrigens von Weißen wie von Schwarzen. Es gibt sogar eine Nelson-Mandela-Bridge. Sie führt allerdings nicht über einen Fluss, denn einen solchen findet man in ganz Johannesburg nicht. Nein, sie überspannt eine stattliche Anzahl von Eisenbahngleisen. Auch ein Kinderkrankenhaus wurde nach dem Vater der Nation benannt.
Mein Fahrer zeigt mir das Haus im Stadtteil Houghton, in dem der einstige Freiheitskämpfer seine Bücher geschrieben hat. Verstörenderweise wurde daraus später ein Luxushotel für reiche Tourist:innen. Angeblich ein Magnet für Amerikaner:innen. Gleich ums Eck befindet sich ein elegantes Gebäude aus der Zeit der Buren, in dem Mandela nach seiner Präsidentschaft gewohnt hat. Hier ist er auch gestorben. Als er im Sterben lag, haben sich vor der Tür tagelang Menschenmassen versammelt, Blumen niedergelegt und gebetet. Ihr Held und Vorbild durfte nicht von ihnen gehen! Doch aller Willenskraft zum Trotz ließ sich das Unabwendbare einfach nicht verhindern. Madiba, wie er mit Clannamen hieß, starb 2013 und hinterließ eine bis heute nicht füllbare Lücke für das Land. Ich bin übrigens just einen Tag nach seinem 106. Geburtstag nach Südafrika gekommen.
Insgesamt erlebe ich das Viertel Houghton als eher bedrückend, praktisch jedes Haus ist von hohen Zäunen umgeben, oft mit Stacheldraht darauf und offensichtlich alarmgesichert. Etwas, das mir später in anderen Gegenden Südafrikas ebenso auffällt. Das lädt nicht gerade zum Spazierengehen ein. Leben möchte ich so nicht.
Soccer City: das Zentrum des südafrikanischen Fußballs
Etwas außerhalb und unmittelbar vor den Toren Sowetos liegt das Heiligtum des südafrikanischen Fußballs: Soccer City. Es ist das größte Stadion Afrikas und fasst 85.000 Menschen. 2010 fand hier das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft statt. Und zwar in Anwesenheit des damals schon sehr gebrechlichen Nelson Mandela, der für sein Erscheinen Standing Ovations erhielt. Es wurde sein letzter Auftritt in der Öffentlichkeit. Heute heißt das Stadion offiziell FNB (First National Bank of South Afrika)-Stadion. Doch für die Menschen hier ist und bleibt es Soccer City.
Die Nachwuchskicker trainieren derweil in den Straßen Sowetos, das ich ebenfalls besucht habe. Wie es dort war, erfährst du in Kürze unter diesem Link >>hier klicken<<
Ob man Johannesburg gesehen haben muss? Eher nicht. Aber es gewährt einen von vielen Eindrücken in ein höchst widersprüchliches Land.
Alle Bilder in diesem Blogbeitrag stammen von Sonja Warter.
Seit 2024 schreibt Sonja als Gastautorin auf dem Blog der Reisebloggerin. Als PR-Profi und Ghostwriter beruflich eher sachlich unterwegs, genießt sie es, wenn sie hier auch über ihre Lieblingsspeisen oder unnützes Wissen berichten kann. Bisherige Lieblingsländer: Marokko, Island und Kanada. Sinnlosestes Wort in ihrem Wortschatz: Sää, das finnische Wort für „Wetter“. Sie liebt Fish & Chips mit kanadischem Wildlachs und hasst französische Austern. Zweiteres kann die Reisebloggerin übrigens nicht nachvollziehen.
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GUDRUN KRINZINGER
Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.
Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.
Hallo,
interessanter Artikel. Als wir vom Krüger-Nationalpark nach Johannesburg kamen und dann in die Stadt wollten, sagte die Besitzerin, dass es das S-Afrika ist, das wir sicher nicht erleben wollen. Wir waren dann nur im sicheren Umkreis unterwegs.
Kapstadt war zuvor sehr viel besser.
Vg
Thomas