Da, wo alles funktioniert: unterwegs mit der Schweizer Bahn
Ein Gastbeitrag über die Schweizer Bahn von Sonja Warter
Hand aufs Herz: Wer hat die Schweiz auf seiner Urlaubswunschliste? Ich gestehe, ich nicht. Zumindest bisher. Doch nach ein paar Tagen in unserem westlichen Nachbarland bin ich bereit, meine Meinung zu ändern. Warum? Da wäre zum Beispiel die wunderbare Landschaft, die zwar ähnlich ist wie Österreich, aber irgendwie auch nicht. Und – als leidenschaftliche Genießerin guten Essens darf ich das sagen – die Schweizer Küche ist ebenfalls nicht zu verachten. Doch einer der wichtigsten Punkte überhaupt: In der Schweiz funktioniert alles. Nämlich wirklich alles, sogar oder ganz besonders der Bahnverkehr. Der Taktfahrplan der Schweizer Bahn klappt wie am Schnürchen, man kommt easy von A nach B und kann dabei noch bequem aus dem blitzblanken Fenster fotografieren. Klingt doch einladend, oder?
Chur: Die älteste Stadt der Schweiz
Nach der Landung am Flughafen Zürich beginnen wir unsere Reise mit der Schweizer Bahn. In weniger als zwei Stunden sind wir in Chur, der ältesten Stadt des Alpenstaates. Die 40.000-Einwohner-Stadt, in deren Einkaufsstraßen unzählige Schweizer Flaggen keinen Zweifel daran lassen, wo man sich befindet, ist eine gekonnte Mischung als Moderne und Tradition.
Zu bewundern gibt es unter anderem Häuser im Bündner Heimatstil. Für diesen war es entscheidend, vor allem traditionelle Baumaterialien wie Tuffstein aus der Umgebung zu verwenden. Die entstandenen Bauten präsentieren sich uns funktional und elegant zugleich. Bestes Beispiel: das etwas mehr als 100 Jahre alte Gebäude der Rhätischen Bahn.

Auf den Spuren eines Oscar-Preisträgers
Chur beherbergt aber auch ein Kunstmuseum, das aus zwei Teilen besteht, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die historische Villa und der neue Zubau sind ein Zentrum für Kunst in und aus Graubünden. Davor befindet sich eine Skulptur, die man so vielleicht nicht erwarten würde. Sie stammt vom vielleicht berühmtesten Sohn der Stadt: Hans Rudolf Giger. Seine Werke wurden unter anderem durch den Film „Alien“ weltberühmt, er selbst bekam einen Oscar für „beste visuelle Effekte“. In seiner Heimatstadt wird er außerdem durch den Gigerbrunnen, eine Bar und eine Gedenktafel gewürdigt.
Nicht weit von besagtem Brunnen, ebenfalls in der Altstadt, liegt der Regierungsplatz, in dessen Zentrum ein dreieckiger Obelisk Aufmerksamkeit erregt. Er erzählt die Geschichte der Stadt und erinnert an den Zusammenschluss dreier Bünde, aus dem später der heutige Kanton Graubünden werden sollte.
Weniger historisch relevant, dafür umso kurioser ist ein anderes Detail: In der Altstadt von Chur finden sich an so mancher Hausecke sogenannte „Pinkelsteine“, an denen sich die Herren früher öffentlich erleichtern konnten. Der Job des Nachtwächters war es dann, die Steine nach dem „Geschäft“ wieder auf Hochglanz zu bringen.
Der Bischofssitz
Von der Altstadt aus gelangt man zum Bischofssitz mitsamt seiner fast 800 Jahre alten Kathedrale. Ein geschichtsträchtiger Ort, denn Chur war das erste Bistum nördlich der Alpen. Heute kann man die Stufen zum Stift problemlos hochsteigen, nach der Reformation gab es hier jedoch so etwas wie eine imaginäre Grenze. Das Tor zwischen Stadt und Stift wurde nämlich nur dann geöffnet, wenn die Stimmung zwischen dem protestantischen Ort und dem katholischen Bischof in Ordnung war.
Eine Fortsetzung fanden derartige Machtspiele in der Marienkirche, der Kathedrale von Chur. In ihr befand sich ein Brunnen, um den die Kirche ursprünglich herumgebaut worden war. Er versorgte die Stadt mit Wasser. Waren die Bewohner aufmüpfig, konnte es passieren, dass der Bischof einfach den Hahn zudrehte und so die Protestanten wieder zum Gespräch zwang.
Heute kann man in der Kathedrale jedoch nicht nur den Deckel zu eben dieser Quelle bewundern, sondern auch den prächtigen Hochaltar und die Gedenktafeln für Jürg Jenatsch, eine schillernde und durchaus umstrittenen Figur in der Geschichte Graubündens.
Ebenfalls in Chur befindet sich mit der Martinskirche die größte evangelische Kirche Graubündens.
Kulinarische Köstlichkeiten
Neben all der Geschichte sollte man in Chur aber auf die kulinarischen Highlights nicht verzichten. Noch immer läuft mir in Erinnerung an die lokalen Köstlichkeiten, die wir im Restaurant „Veltliner Weinstube zum Stern“ genossen haben, das Wasser im Mund zusammen. Da gibt es zum Beispiel „Maluns“ – übersetzt „dicker Krümel“ –, ein einfaches, aber umso wohlschmeckenderes Kartoffelgericht.
Oder meinen persönlichen Favoriten „Capuns“, ein Gericht, das, wie sich das bei Traditionsgerichten gehört, von jedem Koch und jeder Gastgeberin anders zubereitet wird. Kurz zusammengefasst handelt es sich dabei um Spätzleteig mit Bünderfleisch oder Wurst, umwickelt mit Mangoldblättern, gekocht in Milchwasser und danach überbacken mit Bergkäse. Zum Niederknien!

Hoteltipp in Chur: Hotel ABC
Zugfahren als Genuss: die Rhätische Bahn
Am nächsten Tag widmen wir uns ganz der Bahn – nämlich der Rhätischen. Ja, die schreibt sich tatsächlich mit h, obwohl die rätoromanische Sprache ohne geschrieben wird. Diesen gewollten Schreibfehler hat man deswegen eingeführt, weil ja jede Bahn, die etwas auf sich hält, eine vernünftige Abkürzung braucht und „RB“ bereits existierte. Mit „RhB“ wurde also ein neues unverwechselbares Kürzel geschaffen.
Die RhB geht übrigens nicht auf einen Schweizer und schon gar nicht auf einen Rätoromanen, sondern auf einen Holländer zurück. Willem Jan Holsboer brachte 1867 seine lungenkranke Frau nach Davos zur Kur. Obwohl sie nur wenige Monate später starb, blieb er in der Schweiz und begründete die erste Strecke der RhB von Landquart nach Davos.
Die Rhätische Bahn ist eine Schmalspurbahn mit einer Spurweite von nur einem Meter, die einzige Möglichkeit, um die steilen Berge in Graubünden zu bezwingen. So eine Fahrt mit der RhB ist tatsächlich ein Erlebnis. Von Chur aus geht’s für uns zunächst noch mit der Schweizer Bahn nach Landquart. Dort steigen wir in die RhB um und fahren bis Davos Platz, wo wir in einem offenen Panoramawagen Platz nehmen.
Nachdem es schon Ende September ist, wird dies ein erfrischendes, aber dennoch grandioses Erlebnis. Wir fahren über Viadukte, halten an idyllischen Bahnstationen, die wie die Kulisse eines Heidi-Films wirken, kommen an herrlichen Wasserfällen vorbei und durchqueren schmale, unbeleuchtete Tunnel, bis wir an unserer vorläufigen Endstation, Filisur, ankommen.

Das Landwasserviadukt: ein Bauwerk der Superlative
Von dort aus gehen wir zu Fuß weiter – auch wenn es eine Tschu-Tuschu-Bahn bis zum nächsten Highlight gäbe. Wir genießen das herrliche Herbstwetter und die wunderbare Landschaft, in die sich die Bahn ganz natürlich einfügt. Nach etwa einer Stunde steht es plötzlich vor uns: Das Highlight der Rhätischen Bahn – das Landwasserviadukt, das gemeinsam mit der restlichen Strecke und den fantastischen Ingenieurleistungen rundherum seit 2008 zum Weltkulturerbe zählt. 142 Meter lang, 65 Meter hoch und auf fünf gemauerte Pfeiler gestützt ist es definitiv ein Meisterwerk, das sich zu bestaunen lohnt.

Unterhalb befindet sich ein kleiner Kiosk mit Kleinigkeiten zu essen und zu trinken. Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Hinweisschilder mit den QR-Codes der Zugfahrpläne sind an den dazugehörigen Holztischen befestigt. So kann man jederzeit checken, wann der nächste Zug das Viadukt überqueren wird, um rechtzeitig die Kamera zu zücken.

Bewundern kann man das spektakuläre Bauwerk übrigens auch von oben. Dafür muss man einen kleinen Fußmarsch bergauf machen. Der Ausblick von der Aussichtsplattform Schmitten entschädigt aber definitiv für die Mühe.
Danach marschieren wir weiter, entlang am Wasserweg im fast fertigen Erlebnisraum Landwasserwelt. Im Sommer 2025 soll er eröffnet werden und Bahn, Landwirtschaft, Wald, Wasser und Kultur miteinander verschmelzen. Ein harmonisches Miteinander von Weltkulturerbe, Region und Tourismus soll es werden.
Unser Ziel ist das Dorf Alvaneu. Für Bahnbegeisterte gibt es hier noch etwas ganz Besonderes: Die Station wurde vollständig, aber im ursprünglichen Stil renoviert und kann gemietet werden. Wer also immer schon einmal Stationsvorstand spielen wollte, ist dort genau richtig!

Mit der Bahn kommen wir allerdings von hier nicht weg – also nehmen wir den Bus zurück nach Filisur, fahren weiter mit der Bahn nach Thusis und von da mit dem Bus in die Hauptstadt des Tessin, nach Bellinzona.
Mit dem Swiss Travel Pass überall hin
Inkludiert sind all diese Fahrten übrigens im Swiss Travel Pass, der in der gesamten Schweiz in Bahn, Bus und Schiff gültig ist, sowie die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln in zahlreichen Schweizer Städten erlaubt. Der Eintritt in über 500 Museen ist ebenfalls enthalten. Achtung: Für die Panoramazüge wie Bernina Express oder Glacier Express benötigt man eine Extra-Reservierung, und zwar viele Monate im Voraus! In den Genuss dieser besonderen Fahrkarte, die für 3-8 Tage erworben werden kann, kommen übrigens nur ausländische Gäste.
Dennoch fahren auch die Einheimischen gerne mit der Schweizer Bahn, da sie damit praktisch überall – und das vor allem pünktlich – ankommen.
Offenlegung: Die Autorin wurde zu dieser Pressereise eingeladen.
Seit 2024 schreibt Sonja als Gastautorin auf dem Blog der Reisebloggerin. Als PR-Profi und Ghostwriter beruflich eher sachlich unterwegs, genießt sie es, wenn sie hier auch über ihre Lieblingsspeisen oder unnützes Wissen berichten kann. Bisherige Lieblingsländer: Marokko, Island und Kanada. Sinnlosestes Wort in ihrem Wortschatz: Sää, das finnische Wort für „Wetter“. Sie liebt Fish & Chips mit kanadischem Wildlachs und hasst französische Austern. Zweiteres kann die Reisebloggerin übrigens nicht nachvollziehen.
10 Kommentare
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GUDRUN KRINZINGER
Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.
Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.
Sehr spannende Tour. Den Swiss Trevel Pass hatte ich noch gar nicht auf dem Schirm – ist aber auch eine kleine Investition.
Ich sollte mir die Schweizer Bahnen jedenfalls mal langsam auf den Reiseplan schreiben.
Liebe Grüße
Dennis
Ich war ja selbst schon öfter mit dem Swiss Travel Pass unterwegs, der ist echt super!
Bahnfahren, Landschaft und Genuss in der Schweiz – genau mein Ding. 🙂 Danke für die Einblicke in Chur!
Viele Grüße
Christian
Ja, Chur und das Landwasserviadukt, das wäre doch was für dich!
Malerische Berglandschaften und pünktliche Züge – die Schweiz macht es vor! Danke für diesen tollen Bericht!
Die Schweiz kann Züge, ja!
Ich bin diesen Sommer mit der Bahn von Basel nach Brig gefahren, der Schweizer Zug hatte 20 Minuten Verspätung – also immer gaaanz 100% perfekt läuft es dann wohl doch nicht:)
Viele Grüße, Selim
Was? Sowas wie eine Verspätung gibt es auch in der Schweiz? Also mir selbst ist das noch nie passiert…
Hoi
Interessante Eindrücke von aussen auf die RhB und die Schweiz. Das Restaurant im Hotel Stern in Chur ist einfach umwerfend gut.
Das Landwasserviadukt ist insbesondere im Herbst traumhaft schön. Einige Kilometer weiter in Richtung St. Moritz liegt der Bahnhof Preda (Albulatunnel), er ist Ausgangspunkt für zahlreiche Wanderungen in der Region, unter anderem zum Palpuognasee.
Eine gute Alternative zum teuren Bernina Express ist der normale Interregion 38 dieser fährt dieselbe Strecke und verfügt über spezielle Fotoabteile. Und das Beste ist, mit dem GA (wer in der Schweiz wohnt) oder dem Swiss Travel Pass (für Touristen) fährt man umsonst.
Liebe Grüsse aus der Schweiz
Daniel
Danke schön für deine Tipps!