Vom Tessin an den Thunersee
Ein Gastbeitrag über das Tessin von Sonja Warter
Ich war noch nie im Tessin, daher hatte ich auch kein richtiges Bild davon, wie ich mir den italienischen Teil der Schweiz vorstellen sollte. Wie die deutschsprachige Schweiz, aber mit anderer Sprache oder doch eher wie Italien? Meine höchstpersönliche Antwort: Es ist ein Italien, in dem alles wie in der Schweiz funktioniert.
Für uns geht es zunächst nach Bellinzona, danach ins Berner Oberland, genaugenommen nach Spiez und auf den Harder Kulm. Wo das ist? Na dort, wo man einen fantastischen Blick auf die drei Bergspitzen Eiger, Mönch und Jungfrau hat.
Bellinzona: Hauptstadt mit Welterbe
Lugano oder Locarno sind in aller Munde, aber Bellinzona? Obwohl es sich um die Hauptstadt des Tessins handelt, ist dieser Ort bei Weitem nicht so bekannt wie die beiden anderen Städte. Dabei kann er sogar mit einem UNESCO-Welterbe aufwarten. Im Jahr 2000 wurden die drei Burgen der Stadt in diese erlauchte Liga aufgenommen.
Lange war Bellinzona Teil des Römischen Reiches, im Mittelalter stand die Stadt dann unter der Herrschaft der Republik Mailand. Bis sie 1803 zur Eidgenossenschaft kam. Die italienische Sprache ist dennoch geblieben.
Durch die Verbindung mit drei Gebirgspässen, quasi als Tor zu den Alpen günstig gelegen, war Bellinzona immer schon eine reiche Stadt, die häufig von Händlern besucht wurde. Die Herzöge von Mailand gaben sich somit alle Mühe, die Stadt gegen die Eidgenossenschaft zu verteidigen und errichteten beziehungsweise erweiterten aus diesem Grund die drei Burgen, für die die Stadt heute berühmt ist: Castelgrande, Castello di Montebello und Castello di Sasso Corbaro.
1499/1500 belagerten schließlich die Franzosen die Stadt, konnten aber mit Hilfe von Schweizer Söldnern in den französischen Truppen und einigen Schweizer Kantonen wieder vertrieben werden. Als Folge wurde Bellinzona in einem friedlichen Abkommen Teil der Schweiz.
Die drei Burgen von Bellinzona
Zur untersten Burg (Castelgrande) gelangt man am einfachsten von der Piazza del Sol aus mit einem in den Fels gehauenen Aufzug. Oben angekommen ist man von gezinkten Mauern und zwei Türmen umgeben, die Wehrhaftigkeit der Festung sticht geradezu ins Auge. Aus der Zeit der Mailänder stammt übrigens auch die 800 Meter lange Stadtmauer, die von der Westseite des Castelgrande hinunter in die Stadt führt und manchmal als „vierte Burg“ bezeichnet wird.
Im Castello di Montebello, der mittleren der drei Burgen, befindet sich heute das Museo civico e archeologico, das archäologische Museum des ganzen Tessins. Bis hierher kann man noch mit dem Auto fahren, während die dritte Burg, Castello di Sasso Corbaro, ausschließlich zu Fuß erreichbar ist.
Charmante Innenstadt
Als wir wieder in der Innenstadt ankommen, ist wie jeden Samstag Markttag und es herrscht reges Treiben. Zu kaufen gibt es hier unter anderem die typischen regionalen Produkte: Ziegenkäse, Salami und Polenta. Ein Chor singt, Straßenmusiker spielen – ein bisschen Italien-Feeling schleicht sich ein. Allerdings auf die Schweizer Art. Es ist sauber, Verabredungen werden pünktlich eingehalten und die Öffis funktionieren.
Die Piazza Collegiata, das Wohnzimmer Bellinzonas, wäre aber auch ohne Markt ein hübscher Platz. Sie wird gesäumt von zahlreichen Patrizierhäusern und der gleichnamigen Kirche im Renaissancestil. Auf dem Weg zur Piazza Nosetto mit dem beeindruckenden Palazzo Civico (Rathaus) können wir noch die Casa Rossa, ein wunderschönes Gebäude mit einer wertvollen Terrakotta-Fassade bewundern. Apropos Italien: In Bellinzona gibt es das einzige Stadttheater in der Schweiz, das nach dem Vorbild der Mailänder Scala als Logentheater gebaut wurde.
Weiter mit der Centovalli-Bahn
Gegen Mittag verlassen wir Bellinzona wieder. Mit der Schweizer Bahn versteht sich. In Locarno steigen wir in die blau-weiße Centovalli-Bahn um. Ihre Strecke ist nur 52 Kilometer lang, führt jedoch über die beachtliche Anzahl von 83 Brücken und durch 31 Tunnel, bis sie schließlich in Domodossola (Italien) endet. Das „Tal der hundert Täler“, das die Bahn dabei durchquert, ist spektakulär. Zahlreiche Schluchten und Täler, Wasserfälle und Aquädukte kann man durch die perfekt geputzten Panoramafenster während der knapp zweistündigen Fahrt bewundern.
Von Domodossola geht’s für uns weiter nach Spiez, einem Städtchen am malerischen Thunersee, inmitten einer herrlichen Weingegend. Das Tessin haben wir somit hinter uns gelassen.
Wein schon seit den alten Römern
Die Schweiz und Wein – diese beiden Wörter sind mir bis jetzt noch nicht gemeinsam untergekommen. Tatsächlich gibt’s in Spiez Wein bereits seit der Römerzeit.
Die weit verbreitetste Traube in dieser Gegend ist der Riesling Sylvaner, in Deutschland unter dem Namen Müller-Thurgau bekannt. Generell setzt man heute auf Qualität statt Quantität, die produzierten Weine werden damit auch in der lokalen Spitzengastronomie gerne angeboten.
Klimawandel und Wein: keine gute Kombination
Man kämpft jedoch – wie an vielen Orten – mit den Auswirkungen des Klimawandels. Konkret geht es um Hagel- und Frostschäden. Den Hagelschäden versucht man mit Hagelnetzen beizukommen, beim Frost wird es schon schwieriger. Ein Problem entsteht immer dann, wenn es im Februar sehr warm ist und die Reben beginnen auszutreiben. Gibt es noch einmal Frost, zerstört er die zarten Triebe, sofern keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Deshalb bewaffnen sich die Mitarbeitenden der Genossenschaft im Fall des Falles mit sogenannten Frostkerzen – also Kübeln mit Wachs und einem brennenden Docht darin. Sobald eine entsprechende Wetterwarnung reinkommt, müssen die Frostkerzen in den Weingärten aufgestellt werden. Und zwar händisch.
Doch es gibt noch eine andere Herausforderung für den Spiezer Wein. Seit einiger Zeit treibt die Kirschessigfliege in der Gegend ihr Unwesen und zerstört die heranreifenden Trauben. Interessanterweise hat sie es vor allem auf blaue Früchte abgesehen. Dies haben sich Schweizer Wissenschaftler zunutze gemacht und ein Gegenmittel entwickelt. Die blauen Trauben werden nun mit einem weißen Steinmehl besprüht, das bei der Lese nicht abgewaschen werden muss. Die böse Fliege wird so in die Irre geführt und die Trauben gerettet.
Das Endprodukt ist Wein von hoher Qualität. Davon haben wir uns höchstpersönlich im Rahmen einer Verkostung in der Rebbau Spiez Genossenschaft überzeugt.
Hoteltipp in Spiez: Belvedere Strandhotel
Offenlegung: Die Autorin wurde zu dieser Pressereise eingeladen.
Seit 2024 schreibt Sonja als Gastautorin auf dem Blog der Reisebloggerin. Als PR-Profi und Ghostwriter beruflich eher sachlich unterwegs, genießt sie es, wenn sie hier auch über ihre Lieblingsspeisen oder unnützes Wissen berichten kann. Bisherige Lieblingsländer: Marokko, Island und Kanada. Sinnlosestes Wort in ihrem Wortschatz: Sää, das finnische Wort für „Wetter“. Sie liebt Fish & Chips mit kanadischem Wildlachs und hasst französische Austern. Zweiteres kann die Reisebloggerin übrigens nicht nachvollziehen.
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GUDRUN KRINZINGER
Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.
Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.
Hi Gudrun, danke für den schönen Artikel. Hat mich sehr inspiriert! Die bilder sind auch sehr schön 🙂 LG Tara