Ist Costa Rica gefährlich?

Ein Reisebericht über Costa Rica von Sonja Warter

Diese Frage habe ich mir vor meinem Abflug nicht einmal gestellt. Nach allem, was ich bisher gehört und gelesen hatte, dachte ich, es sei ein relativ ungefährliches Land – die Schweiz Mittelamerikas eben. Nicht nur finanziell gesehen, sondern auch, was die Sicherheit betrifft. Für die angrenzenden Staaten Nicaragua und Panama hätte ich nicht die Hand ins Feuer gelegt, aber da wollte ich ja nicht hin.

Nur: Ist das wirklich so? Ich habe es auf die harte Tour herausgefunden. Zumindest weiß ich jetzt, was ich in Zukunft anders/besser machen würde. Mehr dazu am Ende des Beitrags.

San José: kein sicherer Ort

Wer nach Costa Rica will, landet unweigerlich am Flughafen von San José, der Hauptstadt. In unserem Fall abends, als es schon dunkel war. Glücklicherweise mussten wir uns hier noch nicht um einen Mietwagen kümmern, der wurde erst am nächsten Tag in unsere Unterkunft geliefert. Deswegen holte uns ein Fahrer ab und brachte uns ins Hotel.

Zu  meinem Erstaunen kamen Erinnerungen an meinen Besuch in Johannesburg auf. Das Hotel – und nicht nur das – war von hohen metallenen Zäunen umgeben, davor saß eine Wache. Als ich den Fahrer fragte, ob das aus Sicherheitsgründen notwendig sei, bejahte er.

Auch meine Nichte, die schon einige Monate im Land verbracht hatte und die wir hier trafen, war gewarnt worden, dass sie in San José besonders vorsichtig sein sollte. Später auf unserer Reise erzählte uns ein in Costa Rica lebender Österreicher von einer eher unfreundlichen Begegnung mit einer bewaffneten Person. Alles in allem also kein Ort, an dem man unbedingt bleiben muss.

San Jose am Abend
San José am Abend von der Hotelterrasse aus betrachtet

Außenministerium warnt vor gewissen Orten

Wirft man einen Blick auf die Website des Außenministeriums, so heißt es da, dass sich die Sicherheitslage in San José und in den Hafenstädten Limón und Puntarenas in den letzten Jahren verschlechtert hätte. Dort und in den stark frequentierten Nationalparks kämen Überfälle und Diebstähle vor. Die Gewaltbereitschaft der Täter sei hoch. Man solle keinen Widerstand leisten!

Unsere Route führte kaum in diese Zonen, außer in den Nationalpark Cahuita und nach Puerto Viejo. Rein subjektiv hatten wir dort zwar nicht das gleiche Sicherheitsgefühl wie in Wien, richtig gefährlich erschien es uns da aber nicht.

Die Gegend von Sámara

Das blieb während der ganzen Reise so … bis wir in die Gegend von Sámara kamen. Dieser Ort, über den es in Reiseführern heißt, dass es da alles gäbe, was das Herz begehrt, liegt auf der Halbinsel Nicoya an der Pazifikküste Costa Ricas. Übrigens eine Blue Zone, in der besonders viele über Hundertjährige leben.

Für meinen Geschmack gibt die 3.500-Einwohner-Stadt nicht wirklich was her, wenn man von den vielen Lokalen für jeden Geschmack und jede Geldbörse einmal absieht. Hier sind tatsächlich viele Touristen und nachts mussten wir manchmal über den teilweise unbeleuchteten Strand gehen, um zu einem bestimmten Lokal zu kommen. Doch das sollte nicht das Problem werden …

Da wir Touristentrubel gerne ausweichen, beschlossen wir, während unseres dreitägigen Aufenthalts tagsüber auch ins Hinterland zu fahren. Eine Entscheidung mit schwerwiegenden Folgen, wie sich bald herausstellen sollte.

Strand mit Palmen
Strand von Samara

Allein am Wasserfall von Belén

Wasserfall in Costa Rica
Der Wasserfall von Belen – Copyright Lea Pauzenberger

Am zweiten Tag unseres Aufenthalts, es war der 31. Dezember, hatten wir für den Abend eine Reservierung in einem schicken Restaurant. Deswegen wollten wir tagsüber nicht allzu weit weg fahren, um vor der langen Nacht noch genügend Zeit zum Ausruhen und zum Duschen zu haben. Die Wahl fiel auf den Catarata de Belén. Laut Reiseführer war dies ein kleiner, hübscher Wasserfall etwa 30 Minuten entfernt. Sogar baden sollte man darin können.

Und tatsächlich. Nach etwas Suchen fuhren wir durch das Holztor, das die Einfahrt zum Parkplatz des Wasserfalls markierte. Wir stellten das Auto ab und gingen wenige Meter zu Fuß bis zu einem weiteren Parkplatz, an dem ein gelangweilter Mann 2 USD Eintrittsgeld pro Nase kassierte. Außer uns war gerade niemand da und so genossen wir den malerischen Catarata ganz für uns allein. Als wir uns auf den Rückweg zu unserem Auto machten, kam gerade ein Auto mit Franzosen am unteren Parkplatz an. Ganz allein waren wir also nicht. Das sollte uns allerdings nur wenig helfen.

Ein Überfall aus dem Nichts

Plötzlich ging alles ganz schnell. Kaum erreichten wir das Auto – das leider außerhalb des Blickfelds des Kassiers parkte –, sah ich aus dem Augenwinkel zwei Männer auf uns zustürmen. Doch als ich erfasste, dass die wohl nicht mit guten Absichten kamen, war es schon zu spät. Die beiden vermummten Gestalten fuchtelten mit ihren Macheten vor unseren Köpfen und Kehlen herum und schrien „money, money, money“. Nun ja, wer könnte solch einer charmanten Aufforderung schon widerstehen?

Jetzt weiß ich zumindest, wie man – oder zumindest ich – in so einer Situation reagiert. Nämlich nicht mit Angst, sondern völlig rational. Noch während einer der Männer auf mich zukam, warf ich meine Kamera ins Auto und damit aus dem Blickfeld des Banditen. Doch gleichzeitig dämmerte mir etwas anderes: Verdammt, ich hatte kein Bargeld! Ich hatte in Puerto Viejo versucht, an einem Bankomaten welches zu beheben, es war mir aber nicht geglückt. Später hatte ich es aufgegeben, da man ohnehin fast überall mit Kreditkarte zahlen konnte und mein Bruder und meine Nichte über eine Minimum an Colones und USD verfügten. Was also sollte ich jetzt machen, ohne im wörtlichen Sinn meinen Kopf zu verlieren?

„Todos, todos!“

Völlig unemotional entschied ich, meine Geldbörse aus dem Rucksack zu ziehen, zu öffnen und dem Räuber mit den mehr geschrienen als gesprochenen Worten „I have no cash, only cards“ unter die Nase zu halten. An meinen Kreditkarten hatte er glücklicherweise kein Interesse. Als nächstes zeigte ich ihm meinen Pass – wieder kein Interesse. Dann verlor der Mann offenbar die Geduld mit mir und schrie „todos, todos!“ (alles, alles!) und dann „phones, phones!“ Auch dieser Bitte wurde mit einer entsprechenden Bewegung mit der Machete Nachdruck verliehen. Obwohl ich mir in den wenigen Sekundenbruchteilen, die ich zur Verfügung hatte, den Kopf zerbrach, wie ich mein Handy behalten könnte, fiel mir nichts ein und gab es her.  

Währenddessen wurde mein Bruder um sein Bargeld und das Navigationsgerät des Autos (ein Mobiltelefon) erleichtert und zur Sicherheit einer zusätzlichen Leibesvisitation unterzogen. Die beiden Gangster wollten ja nichts übersehen. Auch meine Nichte musste auf eindeutige Einladung hin ihre Geldbörse überreichen.

Vermutlich wussten die beiden Räuber genau wie wir, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die zuvor gesehenen Franzosen vom Wasserfall zurückkämen. Denn kaum hatten sie alles, was leicht zu holen war, sagte einer „let’s go“ und sie verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren. Dummerweise nahm einer im Abgang noch den Rucksack meines Bruders vom Rücksitz, was zum eigentlichen Verhängnis werden sollte …

Warten auf die Polizei

… denn in eben diesem Rucksack hatte sich unser Autoschlüssel befunden. Wegfahren und die Polizei holen war also keine Option. Jetzt brachen wir wirklich in Panik aus. Was, wenn die Verbrecher zurückkämen und sich das Auto zum Schlüssel holten? Zu Fuß wagten wir uns auch nicht weiter, denn wir vermuteten, dass die Täter nach wie vor in der Nähe waren. Also blieben wir im Auto und sperrten uns ein, wohlwissend, dass uns das keinen Schutz bieten würde. Zum Glück war uns ein Mobiltelefon geblieben, nämlich das meiner Nichte, das die Räuber glücklicherweise übersehen hatten. Und so wählten wir den Notruf, der in Costa Rica übrigens wie in den USA aus den Ziffern 9-1-1 besteht. Als wir endlich eine englischsprechende Person am Apparat hatten, war uns aber noch lange nicht geholfen. Denn zuerst musste offensichtlich die vorgefertigte Fragenliste abgearbeitet werden, die teilweise wenig hilfreich war. Erst nach Minuten kam die Frage: „Do you have an emergency?“ Irgendwann schafften wir es dennoch zu vermitteln, dass die Polizei uns eine Streife schicken sollte.

Als wir diese warteten, tauchten die Franzosen wieder auf. Was für eine Erleichterung! Nach dem ersten Schrecken über unsere Geschichte erklärten sie sich bereit, meine Nichte bis zur Hauptstraße mitzunehmen und dort auf die Gesetzeshüter zu warten, während zwei der vier bei meinem Bruder und mir blieben. Eine super Entscheidung, denn die Beamten hatte uns nicht gefunden und wären schon fast wieder umgekehrt! Der Anblick des Polizeiautos, das nach etwa 20 Minuten endlich auf unseren Parkplatz einbog, ließ mir Felsklötze vom Herzen fallen. Der Wagen selbst war allerdings wenig vertrauenserweckend: hinten massiv zerbeult, mit kaputten Lichtern und Blinkern und ohne Gurte. Auf dem Rücksitz lag ein ungesichertes Sturmgewehr.

Es kam mir alles spanisch vor

Die Kommunikation mit den netten, aber wenig motivierten Uniformierten war alles andere als einfach. Google Translate und unsere lokale Reiseagentur mussten helfen. Nach einiger Zeit wurden wir ins Polizeiauto verfrachtet und zu einer anderen Behörde (Organismo de Investigación Judicial; OIJ) gebracht. Neben uns lag weiterhin das Sturmgewehr, während wir mit einem Tempo, das die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um das Doppelte übertraf, über die Straßen jagten. Ohne Blaulicht versteht sich.

Beim OIJ wurden wir mit einer gelangweilten Beamtin konfrontiert, die wie schon ihre Kollegen zuvor kein Wort Englisch sprach. Und so dauerte es, bis wir unsere Angaben zum Tathergang einigermaßen gemacht hatten. Währenddessen sollten wir auf Fahndungsfotos die Täter identifizieren. Wie sich herausstellte, diente dies scheinbar weniger der Wahrheitsfindung als der Identifikation einer Person, die ohnehin schon auf der polizeilichen Prioritätenliste stand. Zu allem Überdruss wurde ich genötigt, das Protokoll zu unterschreiben, bevor ich es gelesen bzw. übersetzt hatte.

Das Auto wird abgeschleppt
Das Auto wird abgeschleppt

Verlängerte Reise

Die Täter wurden bis heute nicht gefunden, genauso wenig wie unsere entwendeten Habseligkeiten. Die Handys waren gleich an Ort und Stelle deaktiviert worden. Ortung ausgeschlossen. Das Schlimmste war allerdings, dass sich im geraubten Rucksack neben anderen Dinge der Pass meines Bruders befunden hatte.

Wie sich bald herausstellte, sollte deswegen die geplante Heimreise drei Tage später ein frommer Wunsch bleiben. Denn: Österreich hat in Costa Rica keine Botschaft, sondern nur ein wenig bis gar nicht hilfreiches Honorarkonsulat. Ein Notpass kann daher nur von der diplomatischen Vertretung in Mexiko ausgestellt und eingeflogen werden. Und das dauert mehrere Tage, besonders zu Neujahr! Während ich wie geplant nach Hause fliegen konnte, musste mein Bruder noch bleiben und einen neuen Flug buchen. Dummerweise einen, bei dem er nicht in den USA zwischenlanden würde, denn die akzeptieren keine Notpässe …

Man kann also sagen: Es war ein sehr teurer, aber dafür wenig erholsamer Urlaub!

Was ich für die Zukunft gelernt habe:

  • akzeptieren, dass Verbrechen überall passieren können, auch dort, wo es vermeintlich sicher ist
  • den Pass möglichst selten mit mir tragen (selbst wenn, wie in unserem Fall, der Safe im Zimmer kaputt ist)
  • immer etwas lokales Bargeld dabei haben, um es im Ernstfall hergeben zu können (einen Teil des Geldes/der Kreditkarten im Hotel lassen – das hatten wir ohnehin getan)
  • die lokale Notrufnummer auswendig lernen (ich hätte nicht gewusst, dass sie in Costa Rica 911 ist)
  • sollte der Passt älter als 6 Monate sein, eventuell zwei neue Passbilder mitnehmen (die braucht man für einen Notpass und sind nicht überall leicht zu kriegen) und
  • zumindest darüber nachdenken, ob ich ein altes Handy mit einer lokalen Simkarte verwende, während das andere sicher im Safe bleibt

Vor allem aber wurde mir klar: Es hätte weit schlimmer ausgehen können!

Ist Costa Rica also gefährlich?

Wenn ich zu unserem Erlebnis Berichte aus unserem Hotel und (nachträgliche) Erzählungen aus dem Bekanntenkreis zu korrupten Polizeibeamten hinzufüge, würde ich sagen: Es ist zumindest deutlich weniger sicher, als die meisten von uns annehmen.

Seit 2024 schreibt Sonja als Gastautorin auf dem Blog der Reisebloggerin. Als PR-Profi und Ghostwriter beruflich eher sachlich unterwegs, genießt sie es, wenn sie hier auch über ihre Lieblingsspeisen oder unnützes Wissen berichten kann. Bisherige Lieblingsländer: Marokko, Island und Kanada. Sinnlosestes Wort in ihrem Wortschatz: Sää, das finnische Wort für „Wetter“. Sie liebt Fish & Chips mit kanadischem Wildlachs und hasst französische AusternZweiteres kann die Reisebloggerin übrigens nicht nachvollziehen.

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Miriam blitzt - Miriam Mehlman Fotografie

GUDRUN KRINZINGER

Ich tue. Ich reise. Ich bin.

Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.

Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.

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