Sizilien abseits der Massen: Unterwegs im Naturpark Madonie

Wer Sizilien nur mit Palermo, antiken Tempeln oder den barocken Städten verbindet, hat die Berge noch nicht gesehen. Im Naturpark Madonie, etwa eine Autostunde südlich-östlich von Palermo, zeigt sich die Insel von ihrer rauen, ursprünglichen Seite. Schroffe Gipfel, dichte Wälder, urige Dörfer und eine reiche Pflanzenwelt machen diese Region zu einem Geheimtipp für alle, die Sizilien abseits der klassischen Reiseroute erleben möchten.

Panoramablick über die Hügellandschaft des Naturparks Madonie mit verstreuten Dörfern
Weite Blicke über die Madonie: Landschaft und Dörfer verschmelzen

Zwischen Himmel und Hochebene – Wo liegt der Parco delle Madonie?

Der Parco delle Madonie liegt im nördlichen Sizilien. Er ist eingebettet zwischen der Nordküste bei Cefalù und dem zentralen Hochland. Gegründet wurde der Park 1989 und umfasst rund 40.000 Hektar Fläche. Mit dem Pizzo Carbonara (1.979 m) beherbergt er den zweithöchsten Gipfel der Insel. Der Park ist Teil des UNESCO Global Geoparks Netzwerks und begeistert durch seine geologische Vielfalt: Kalksteinfelsen, Höhlen, Dolinen und uralte Fossilien erzählen von der bewegten Erdgeschichte Siziliens.

Am besten erreicht man die Region mit dem Auto oder so wie wir, mit dem Wohnmobil. Von Palermo kommend, führt die Autobahn A20 bis Cefalù und von dort aus über kurvige, aber gut ausgebaute Landstraßen ins Herz des Parks.

Unsere Reise führte uns allerdings nicht entlang der klassischen Route. Stattdessen fuhren wir von Agrigento quer durchs Landesinnere. Eigentlich stand der Besuch von Cefalù auf dem Plan, doch wir mussten spontan umdisponieren – im März waren die Stellplätze in der Stadt noch geschlossen, und ein Parkplatz in der Nähe war nicht zu finden. So machten wir uns auf den Weg in die Madonie und landeten in dem Ort, der als ihr Herz bezeichnet wird, in Castelbueno.

Karge Berglandschaft im Naturpark Madonie mit niedriger Vegetation
Im Frühling zeigt sich die raue Seite der Madonie – ein Paradies für Wanderfreunde

Die schönsten Dörfer der Madonie

Zum Naturpark gehören Gebiete aus insgesamt 15 Gemeinden, darunter bekannte Orte wie Cefalù, Castelbuono, Petralia Soprana und Polizzi Generosa sowie kleinere Dörfer wie Gratteri, San Mauro Castelverde oder Sclafani Bagni.

Mit dem Wohnmobil konnten wir leider nicht alle Orte besuchen – manche Dörfer sind nur schwer zugänglich oder bieten keine geeigneten Stellplätze. Wir konzentrierten uns daher auf jene, die mit unserem Fahrzeug gut erreichbar waren und entsprechende Park- oder Übernachtungsmöglichkeiten boten.

Blick auf ein Bergdorf mit großer Kirche, von Bäumen eingerahmt
Polizzi Generosa im Nebel – stille Schönheit im Naturpark Madonie

Castelbueno – Das Herz der Madonie

Castelbuono zeigt sich gleich zu Beginn als erfreulich campingfreundlich: Am Ortseingang gibt es einen großzügigen Stellplatz, der auch für Wohnmobile gut geeignet ist. Da das Dorf nicht allzu hoch gelegen ist, gestaltet sich die Anfahrt unkompliziert.

Das Dorf selbst war dann eine Offenbarung: gemütliches Schlendern in der verkehrsberuhigten Altstadt (ja, das gibt es wirklich, sogar auf Sizilien!), eine mittelalterliche Burg, prächtige Kirchen, gemütliche Kaffeehäuser und eine Auswahl an Restaurants, die sogar geöffnet hatten. Es gibt sogar eine Buchhandlung! Ich war begeistert!

Eine kleine Anekdote am Rande: In Castelbuono hilft tatsächlich ein Esel bei der Müllabfuhr – in den engen Gassen kommt kein Müllwagen durch.

Meine Freude war nur getrübt durch den Umstand, dass die Burg noch nicht geöffnet hatte (Nebensaison) und es mir nicht gelang, die Katakomben und die Krypta der Kirche Chiesa di Santa Maria Assunta zu besichtigen aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten mit der Dame an der Kassa.

Berühmt ist Castelbuono außerdem für Manna, ein natürlicher Süßstoff, der aus Eschen gewonnen wird und in der lokalen Küche Verwendung findet. Ein Besuch in Castelbuono wäre zudem nicht komplett ohne einen Abstecher zur berühmten Konditorei Fiasconaro, die für ihren handgemachten Panettone weit über Sizilien hinaus bekannt ist. Während meines Besuches türmten sich in den Schaufenstern allerdings die Colomba in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Und wirklich: die Gäste schleppten dieses speziell zu Ostern gefertigte Gebäck säckeweise aus dem Geschäftslokal.

Kastell auf einem Berg, Stufen führen zum Eingang
Das imposante Kastell in Castelbueno
Esel in den Gassen von Castelbuono mit Müllsack bepackt
Nachhaltige Müllentsorgung in Castelbuono: Ein Esel hilft beim Einsammeln der Abfälle.
Kirche in Castelbuono mit Glockenturm und umliegenden Gebäuden
Eine der vielen Kirchen von Castelbuono – beeindruckend selbst ohne Zugang zur Krypta

Isnello – Ein stilles Dorf

Am nächsten Tag führt uns unsere Reise nach Isnello – eines dieser typischen sizilianischen Bergdörfer, das sich malerisch an den Hang schmiegt. Aus der Ferne wirken die verblichenen, in warmem Beige gehaltenen Hausfassaden wie kleine Puzzlesteine, die sich harmonisch zu einem stimmigen Gesamtbild fügen. Isnello strahlt eine stille, zeitlose Atmosphäre aus – wie ein Schauplatz aus einem alten Film. Auf den Bänken im Schatten sitzen alte Männer, die uns mit einem huldvollen Nicken grüßen, als wir vorbeigehen.

Ganz so still hätte es dann aber doch nicht sein müssen: Wir sind auf der Suche nach einem geöffneten Restaurant – leider vergeblich. Alle Geschäfte sind chiuso, wir sind mitten in der Siesta angekommen.
Zu unserem Glück stehen in der Chiesa Madre San Nicola gerade die Vorbereitungen für eine Feierlichkeit an, die Türen der Kirche sind geöffnet. Wir schleichen uns leise ins Innere des Gotteshauses, dessen Ursprünge bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen. Im Barock erweitert, beherbergt die Kirche heute wertvolle Kunstwerke – darunter eine hölzerne Marienstatue aus dem 16. Jahrhundert.

Anschließend steigen wir zur Burgruine hinauf. Viel ist davon nicht mehr erhalten, aber der Blick über das Häusermeer von Isnello ist jede Stufe wert.

Alte Metzgerei in einer engen Gasse von Isnello, Sizilien
Isnello: Hier scheint die Zeit stillzustehen – selbst der Fleischerladen hat Patina
Altarraum einer historischen Kirche in Isnello mit kunstvollen Fresken und Gemälden
Einblick in die kunstvolle Ausstattung der Kirche in Isnello
Blick über Isnello mit Kirchturm und Madonien-Gebirge im Hintergrund
Isnello von oben – ein stilles Dorf, das sich malerisch an den Hang schmiegt

Polizzi Generosa – Weite Ausblicke, alte Geschichten

Polizzi Generosa liegt auf einem Hochplateau am Rand des Naturparks und macht seinem Namen alle Ehre – „generosa“, also großzügig, beschreibt nicht nur die Lage, sondern auch den weiten Blick über das Madoniengebirge. Wir kommen von Isnello, weil es hier – ganz praktisch – einen Stellplatz für Wohnmobile gibt. Der Ausblick vom Stellplatz ist tatsächlich großzügig, allerdings geht er ausgerechnet auf den Friedhof.

Polizzi Generosa war einst Sommerresidenz des sizilianischen Adels, was sich bis heute in den eleganten Palazzi und der imposanten Kathedrale widerspiegelt. Doch vieles ist in die Jahre gekommen: In den stillen Gassen bröckelt der Putz, und die einstige Pracht wird langsam vom Zahn der Zeit überholt.

Trotzdem ist Polizzi Generosa ein Ort voller Geschichten – manche sogar mit Hollywood-Glamour. Martin Scorseses Vorfahren stammen von hier, und der Schauspieler hat das Dorf einst persönlich besucht.
Während unseres Besuchs werden wir Zeugen eines dramatischen Wetterwechsels: Eben noch machen wir ein Foto von einer Hausfassade, und im nächsten Moment stehen wir in einer dichten Wolke – die Konturen der Menschen verschwimmen, als wären wir in einem Film gelandet.

Mit den Restaurants haben wir auch hier kein Glück – fast alles ist geschlossen. Bis auf eine einzige kleine Pizzeria. Und das ist dann doch unser Glück: Denn dort essen wir die beste Pizza der gesamten Sizilienreise!

Street Art Wandbild von Martin Scorsese mit Filmrollen und Taxi in Polizzi Generosa
Hommage an Martin Scorsese – seine Vorfahren stammen aus Polizzi Generosa
Enge Altstadtgasse in Polizzi Generosa mit Blick auf eine Kirche
Typisch sizilianisch: Die Gassen von Polizzi Generosa mit Blick auf die Kirche
Nebelverhangener Platz in Polizzi Generosa mit Straßenlaterne und Passanten
Plötzlich zog dichter Nebel auf – Polizzi Generosa wirkte wie eine Filmkulisse

Einige Wochen nach unserer ersten Madonien-Rundreise zieht es uns noch einmal zurück in die Region – dieses Mal mit dem Ziel, weitere Dörfer zu entdecken, die wir zuvor ausgelassen hatten. Die Ortschaften Gratteri und Collesano stehen nun auf unserem Programm – zwei Orte, die auf ihre ganz eigene Weise den Charakter der Madonie widerspiegeln.

Gratteri – Abgelegen und ursprünglich

Gratteri liegt auf über 700 Metern Höhe und wirkt wie ein stilles Dorf am Ende der Welt – genau der richtige Ausgangspunkt für eine Wanderung in die wilde Umgebung. Unser Ziel war die Grotta Grattara, eine Tropfsteinhöhle etwas oberhalb des Ortes. Der Weg dorthin führt vorbei an alten Steinmauern und mit einem Ausblick bis zur Küste. Zurück im Ort wollen wir uns mit einem Espresso belohnen. Leider heißt es wieder chiuso, wir haben Pech gehabt.

Historische Hausfassade in Gratteri mit verwinkelten Gassen
Gratteri – still, abgelegen und ideal für einen Abstecher zur Grotta Grattara
Wanderweg zur Grotta Grattara bei Gratteri im Naturpark Madonie, umgeben von Wald und Felsen
Die Wanderung zur Grotta Grattara bei Gratteri war ein echtes Highlight

Collesano – Lebendig und geschichtsträchtig

Collesano wirkt am nächste Tag um einiges lebendiger – vielleicht, weil es direkt an der alten Strecke der legendären Targa Florio liegt, dem ältesten Autorennen der Welt. Im kleinen, aber liebevoll gestalteten Museo Targa Florio tauchen wir ein in die Geschichte dieser waghalsigen Straßenrennen, die durch die engen Kurven der Madonien führten. Alte Plakate, Motorräder und Anekdoten aus der Pionierzeit des Motorsports machen den Besuch zu einem echten Highlight – selbst für jemanden wie mich, der mit Autorennen sonst wenig am Hut hat.

Ausstellung von Rennanzügen und Figuren im Targa Florio Museum in Collesano
Das Targa Florio Museum in Collesano – Hommage an das älteste Autorennen der Welt.
Gasse in Collesano mit Blick auf den Kirchturm und historische Mauern
Collesano: ein Dorf mit historischen Gassen und Blick in die Berge

Sperlinga – Ein Ort wie aus einer anderen Welt

Sperlinga liegt zwar etwas außerhalb des eigentlichen Parks, gehört kulturell und landschaftlich jedoch untrennbar zur Madonienregion. Das Dorf ist berühmt für seine in den Felsen gehauenen Höhlenwohnungen und die eindrucksvolle Burgruine, die hoch über dem Tal thront. Wir klettern durch die Ruinen der Burg, betreten Wohnräume, die direkt aus dem Felsen gehauen wurden, und staunen über die Geschicklichkeit vergangener Zeiten. Von oben reicht der Blick weit über das Tal, wunderschön! Eigentlich wollten wir nur kurz bleiben, doch der Stopp hat sich bezahlt gemacht.

In den Felsen gehauene Wohnräume in Sperlinga
Faszinierend: Die Höhlenwohnungen von Sperlinga erzählen von einer uralten Lebensweise
Blick von der Burgruine auf das Dorf Sperlinga und die umliegende Hügellandschaft
Ausblick von der Festung Sperlinga auf das darunterliegende Dorf und die weite Landschaft

Wandern in der Madonie: Ein Versuch

Ich hatte mir fest vorgenommen, auf den Pizzo Carbonara zu wandern – immerhin der zweithöchste Gipfel Siziliens. Laut Reiseführer starten die Touren beim Piano Battaglia, also fuhren wir dorthin. Doch vor Ort war keine einzige Route wirklich gut ausgeschildert, und es herrschte starker, fast stürmischer Wind. Wir liefen ein Stück los, mussten aber nach zwanzig Minuten abbrechen – es war schlicht zu ungemütlich, und weit und breit keine anderen Wanderer zu sehen.

Mittags versuchten wir, ein Lokal zu finden – auch das war nicht einfach. Schließlich wurden wir im Ristoro dello Scoiattolo fündig und aßen dort überraschend gut. Im Winter beginnt gleich nebenan das kleine Skigebiet, wahrscheinlich ist dann mehr los als zu unserer Reisezeit.

Trotzdem soll sich das Wandern in der Region lohnen: Es gibt rund 200 Kilometer markierte Wege durch Wälder, über Hochweiden und zu abgelegenen Aussichtspunkten.

Einzelner Baum in steiniger Hochebene des Madoniengebirges
Einsamer Baum auf der Hochebene – die Landschaft wirkt rau und archaisch
Karge Berglandschaft im Naturpark Madonie mit spärlicher Vegetation
Die wilde Seite der Madonie – eindrucksvolle, fast mondähnliche Berglandschaft bei Piano Battaglia
Rustikales Berghaus mit Restaurant im Naturpark Madonie
Einkehr im „Ristoro dello Scoiattolo“ – ein kulinarisches Highlight inmitten der Berge

Madonie – Ein echter Geheimtipp für Entdecker

Es sind die kleinen Dinge, die mir vom Naturpark Madonie in Erinnerung bleiben: das unerwartet gute Essen in von außen unscheinbaren Lokalen, der wunderbare Hauptplatz von Castelbuono, der Blick von der Burgruine in Sperlinga oder das plötzliche Verschwinden einer ganzen Stadt im Nebel von Polizzi Generosa.

Die Dörfer der Region wirken wie aus der Zeit gefallen und haben doch alle ihren eigenen, unverwechselbaren Charme. Die Wanderung zum Pizzo Carbonara hat zwar nicht wie geplant geklappt, doch dafür war der Weg zur Grotta Grattara umso schöner – eine dieser ungeplanten Entdeckungen, die eine Reise erst besonders machen.

Dorf Gratteri inmitten der steilen Bergflanken des Naturparks Madonie
Gratteri schmiegt sich spektakulär an den Berghang – Ausgangspunkt für unsere Wanderung zur Grotta Grattara
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Miriam blitzt - Miriam Mehlman Fotografie

GUDRUN KRINZINGER

Ich tue. Ich reise. Ich bin.

Reiseblog von einer reiselustigen, strickbegeisterten, lesesüchtigen und fotografiewütigen Oberösterreicherin mit Hauptsitz Wien und Alte Donau.

Seit 2010 schreibe ich über meine Reisen auf dem Blog Reisebloggerin.at.

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